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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Anton Bruckner

Streichquintett F-Dur, Streichquartett c-Moll

Leipziger Streichquartett, Hartmut Rohde

MDG/Codaex 307 1297-2
(66 Min., 1/2004) 1 CD

Anton Bruckner kannte keine andere musikalische Ausdrucksweise als diejenige, die seine Sinfonien prägt: Nach einer Art Baukastensystem zusammengesetzte lange Entwicklungszüge, innerhalb derer eigenwilliges motivisch-thematisches Material vorzugsweise über ostinater rhythmischer Grundlage nach klassischen Regeln, aber unter den Bedingungen einer erweiterten romantischen Harmonik aufregende Metamorphosen durchmacht. Das äußerlich oftmals gleichförmige Fortschreiten der Musik bei gleichzeitigem gewaltigen inneren Spannungsaufbau hat etwas Exzessives, Manisches - und ist daher den Verehrern Bruckners fast eine Droge, den Verächtern dagegen ein unerträgliches Gräuel. Man kann Bruckner wohl nicht gleichgültig gegenüberstehen.
Auch in seinem Streichquintett bediente Bruckner sich der oben beschriebenen Sprache; hinzu kommt, ebenfalls wie in den Sinfonien, ein schmachtend gefühlsintensiver langsamer Satz mit ungeheuer expressiver Melodik, um den sich das brillante Leipziger Streichquartett mit Hartmut Rohde als fünftem Man besonders verdient macht: Ohne jemals kitschig zu werden - man verzichtet etwa auf plakative Portamenti -, bieten die Musiker doch ein Höchstmaß an Ausdruck und Wohlklang, dabei niemals die klaren klassischen Formgesetze der Musik aus dem Auge verlierend. Die Musiker haben sich offenbar intensivst mit dem Innenleben der Partitur auseinandergesetzt, haben die polyphonen Strukturen erforscht, haben Bruckners Ringen um Entfaltung und Transzendierung seiner Themen aktiv nachempfunden und mitvollzogen. Es ist daher insgesamt ein reiner, fast ein abgeklärter Bruckner, der auf dieser CD erklingt. Jener gleichmäßige rhythmische Puls etwa, der die Musik über weite Strecken in Bewegung hält, erscheint bei so dezenter Spielweise wirklich als ihr Lebensnerv, ohne den Hörer durch seine Penetranz ständig an Bruckners neurotischen Zählzwang zu erinnern.
Von solch kompetentem Bemühen profitiert auch das reizende Streichquartett c-Moll, das aus Bruckners späten "Studienjahren" (er war beinahe vierzig, als er sich endlich freischwamm und zu seinem eigenen Stil fand) stammt und noch vor der "nullten" Sinfonie entstand. Es ist ein jugendfrisches, inspiriertes Werk voller interessanter Einfälle, dem natürlich noch die prägnant-eindringliche Bruckner'sche Idiomatik fehlt. Man kann es daher nicht als Schwesternwerk zum Streichquintett betrachten, aber es ist doch eine nette, unterhaltsame Beigabe, die erahnen lässt, was für einen Weg Bruckner zurückgelegt hat, bis er zu voller künstlerischer Reife gelangte.

, 01.09.2007


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