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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Auch im Jahr 2005 hat Martha Argerich bei ihrem Lugano Festival wieder eine Reihe von Nachwuchstalenten und gute Freunde wie den Cellisten Mischa Maisky um sich geschart, um dem Konzertpublikum ein musikalisches Feuerwerk unter Beteiligung des Klaviers in verschiedensten Besetzungen zu präsentieren. Die vorliegende Box bietet eine live mitgeschnittene Auswahl aus den dort auf die Bühne gebrachten Programmen. Wenn Martha Argerich selbst Musik macht, kommt meistens eine explosive Mischung aus atemberaubender Virtuosität und überbordender Emotionalität zustande; Sergei Rachmaninows zweite Suite für zwei Klaviere op. 17, gespielt mit Gabriela Montero als Partnerin, ist in dieser Sammlung ein prominentes Beispiel dafür: Mit irrwitzigen Tempi gehen die beiden Pianistinnen die Sätze dieser Suite an, und voller Freude an der herrlichen Musik meißeln sie immer wieder einzelne Linien aus dem Gesamtgeschehen heraus, die man in anderen Aufnahmen so gar nicht wahrnimmt. Vieles auf dieser Tour de force gelingt, sozusagen im Rausch der lawinenartig voranwalzenden und -stürmenden Musik, atemberaubend brillant (man höre nur die rasenden Repetitionspassagen im letzten Satz); einiges jedoch geht auch grandios daneben: Wenn man sich bei so stressigen Tempi auch noch eine Vielzahl von agogischen Extravaganzen leistet, dann ist eben am Ende Manches doch nicht zusammen. Ähnlich läuft es übrigens auch in Johannes Brahms’ Variationenzyklus op. 56b über Haydns Antonius-Choral, den Argerich mit Polina Leschenko nicht minder extravagant zum Besten gibt.
Rachmaninows Cellosonate in g op. 19 spielt der unermüdliche Mischa Maisky gemeinsam mit Sergio Tiempo - über Maiskys emotional aufgepeitschtes Cellospiel, an dessen technischen Fundamenten es gelegentlich gefährlich bröselt, kann man zumindest trefflich streiten. Angesteckt vom Virus der Expressivität um jeden Preis zeigen sich auch die Capuçon-Brüder, die mit Nicholas Angelich am Klavier Felix Mendelssohns zweites Klaviertrio in c-Moll op. 66 (nicht d-Moll, wie das Beiheft angibt), gestalten: Dass man in diesem Stück auch höchst virtuos und spielfreudig agieren kann, ohne unter permanenter Höchstspannung die Musik ständig kurz vor dem Bersten zu halten, zeigt ein Vergleich mit der kürzlich erschienenen Einspielung von Julia Fischer, Daniel Müller-Schott und Jonathan Gilad (PetaTone/Codaex) - überhaupt ein aufschlussreicher, heilsamer Vergleich, wenn man nach soviel Wirbelsturm mal wieder auf den Boden kommen will: Entfesselte Emotionen tragen, vor allem auf solider spieltechnischer Basis, weit, sehr weit sogar. Aber gelegentlich eben doch ein Stück über das Ziel eines in sich geschlossenen, organischen, kultivierten Vortrags hinaus.

Michael Wersin, 01.09.2007


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