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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Pierre de la Rue

The Complete Magnificats, Three Salve Reginas

Viva Voce, Peter Schubert

Naxos 8.557896-97
(120 Min., 8/2005, 6/2006) 2 CDs

Dazu gehört eine Menge Mut, sowohl aufseiten des Ensembles wie auch der Plattenfirma: Einen Magnificat-Zyklus und drei marianische Antifonen von Pierre de la Rue (ca. 1460-1518) in einem Doppelalbum zu präsentieren, wird sich auf dem heutigen Schallplattenmarkt wohl nur selten jemand erlauben. Umso mehr dürfen wir uns über die vorliegende Produktion des Ensembles "Viva Voce" unter Leitung von Peter Schubert freuen, die zudem auch als sehr kompetent angelegt und interpretatorisch gelungen bezeichnet werden darf. Was erwartet den Hörer, der als Nicht-Fachmann, vielleicht aus reiner Neugier, zum Besitzer dieser Einspielung wird? Er bekommt vokale Vespermusik der Renaissance zu hören, ausgeführt in Alternatimpraxis, also als beständiges Wechselspiel von Einstimmigkeit (gregorianische Magnificat-Antifonen und psalmodische Verse) und Drei- bis Sechsstimmigkeit (auskomponierte Magnificat-Verse bzw. Abschnitte der marianischen Antifonen). Das Magnificat, eines der drei fest im Stundengebet verankerten biblischen Cantica, hat seinen Platz am Ende der Psalmenreihe der Vesper; je nach "Tonart" der umrahmenden (und täglich wechselnden) Antifon kann es theoretisch in jedem der acht Modi des Oktoechos stehen. Soll es im Wechsel von Ein- und Mehrstimmigkeit ausgeführt werden, benötigt man in der Praxis folglich einen Vorrat von Magnificat-Versen in allen Modi. Pierre de la Rue war der Erste, der einen solchen (fast) vollständigen Zyklus geschaffen hat. Seine Verse klingen dem ungeübten Ohr zunächst sehr ähnlich, weisen aber tatsächlich ein hohes Maß an Individualität auf. Wenngleich es dem Hörer in der Regel nicht möglich sein wird, ohne Noten in der Hand die kontrapunktische Raffinesse dieser Meisterstücke zu durchschauen, so wird er doch (vielleicht mit Hilfe einer Textübersetzung) zumindest ein Gespür für die Vielfalt erlangen, die diese komplexe Stilistik bietet. Und selbst wenn er diese CDs rein "meditativ" hört, sich also vor allem der faszinierenden Ruhe der Musik hingibt, wird er an der strukturellen Fülle dieser gleich-mäßig fließenden, aber niemals gleich-förmig plätschernden Kontrapunktik Gewinn bringend teilhaben. Zeitlose Musik, oft am Rande der Stille und im Innern doch so bewegt, die zu Konzentration und Sammlung führt: Verbrennt alle Meditations-CDs, kauft Pierre de la Rue.

Michael Wersin, 16.02.2008


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