home

N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Was für ein strammer Recke! Von der Pickelhaube bis zur den frisch gewichsten Stiefeln. Das Bookletfoto von August Stramm zeigt da einen von diesen Parade-Hauptmännern, die im wilhelminischen Zeitalter noch etwas galten und hermachten. Und ausgerechnet dieser freiwillige West- und Ostfrontkämpfer soll nicht nur die Schlachtfelder mit umgepflügt haben, sondern gleich auch noch die Sprache? Tatsächlich, so kann man es in den einschlägigen Standardwerken nachlesen, gehörte Stramm zu den Pionieren einer Lyrik, die auf den (klingenden) Urkern des Wortes eingedampft wurde. Der Expressionist Stramm löste damit immerhin ein Echo aus, das von den Dadaisten bis hin zu Lautpoeten wie Gerhard Rühm registriert worden ist. Auf dieses Gebiet der musikalischen Ahnenforschung hat sich nun der Pianist und Komponist Steffen Schleiermacher mit seinem zusammengestellten CD-Porträt „Hommage à August Stramm“ eingelassen. Entlang eines chronologisch wie musikstilistisch weiten Bogens, der von den ersten, prismatischen und gezackten Strammvertonungen aus dem Jahr 1922 von Vladimir Vogel bis zur surreal elektro-akustischen Sprachfetzen-Orgie "Mars saugt Mut" (2006) von Wolfgang Heisig reicht.
Die Werkauswahl, die Lieder, Kammermusikalisches (Schleiermachers "Frage! An August Stramm" für Bassflöte) und Stücke für diverse Tasteninstrumente umfasst, bildet natürlich zuallererst ein wahres Raritätenkabinett. Doch gerade bei den Vokalwerken herrschte erstaunlicherweise eine gestalterische Einigkeit, was Fragilität und Bedrängendes angeht. Da können sich in ihren Strammliedern jetzt selbst solche Antipoden wie der schon 1968 erstaunlich frühreife Wolfgang Rihm und der gnadenlos am Zwölftonsystem laborierende Milton Babbitt die Hände reichen. Mehr als nur knackig im Schritt ist dagegen der "Herresmarsch", den der Gründer der Zeitschrift "Der Sturm", Herwarth Walden, dem 1915 gefallenen Stramm im Gedenken hinterherschickte. Und in der von Schleiermacher eingerichteten Version für Pianola meint man gar, Prokofiew und Conlon Nancarrow frechgrinsend vorbeiziehen zu hören.

Guido Fischer, 31.05.2008


Diese CD können Sie kaufen bei:

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen



Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Der Komponist Giacomo Orefice (1865–1922) wuchs in einer jüdischen Familie im norditalienischen Vicenza auf und ist vor allem für sein Opernschaffen bekannt. Auch als Pädagoge macht er sich einen Namen, sein berühmtester Schüler war der Filmkomponist Nino Rota. Orefices bekanntestes Musiktheaterwerk ist „Chopin“, für das er die Klavierwerke des polnischen Komponisten orchestrierte. Seine eigene Klaviermusik umfasst überwiegend romantische Charakterstücke, die von Gedichten, […] mehr


Abo

Top