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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Johannes Brahms, Robert Schumann

Lieder

Ruth Ziesak, Ulrich Eisenlohr

Music For You/Sony 500614 2
(63 Min., 1999) 1 CD

Haben wir noch Anlass, den Tod der Gattung Kunstlied zu beklagen? Von Christoph Prégardien etwa, einem der erfolgreichsten Vertreter des Liedgesangs in der Gegenwart, war kürzlich im Gespräch Ermutigendes zu hören: Aus der durch Fischer-Dieskaus Übergröße verursachten Agonie erwacht, nähmen sich Sänger seiner und der nachfolgenden Generation mit neuem Enthusiasmus wieder des Klavierliedes an. Übrigens hat Fischer-Dieskau ja bei nicht wenigen dieser nachgewachsenen Talente unterrichtend seine Hand im Spiel gehabt.
Wer meint, die antiquierten, teils gar biedermeierlichen Texte seien nicht mehr vermittelbar, der täusche sich nicht: Auch hinter der für "absolut" gehaltenen Instrumentalmusik eines Schumann oder Brahms steht dieselbe Gedankenwelt, dasselbe kulturelle Umfeld, das auch in der Poesie zum Ausdruck kommt. Und andererseits verstehen diese Komponisten soviel Absolut-Musikalisches in ihren Lied-Miniaturen zu verbergen, dass es philiströs wäre, sie auf Grund einiger für verbraucht gehaltener Worte zu verschmähen.
Faszinierend ist es, zu beobachten, wie Robert Schumann in dem selten zu hörenden, auf dieser CD enthaltenen Lied "Die Sennin" aus dem stilisierten Jodelmotiv der schönen jungen Bergbewohnerin durch Verarbeitung und Variation ein zauberhaftes Miteinander von Gesang und Klavier entfaltet. Und mit seiner dichten kontrapunktischen Verflechtung steht Johannes Brahms' "Wir wandelten" als Beleg für staunenswerte motivische Verarbeitungskunst den späten Klavierstücken des Komponisten in nichts nach.
Nur ein kleiner Schritt ist es dann, hinter dem zeitgebundenen Vokabular der Liedertexte auch die Aktualität der Aussage solcher die Gattungsgrenzen von Literatur und Musik überschreitenden Meisterwerke zu entdecken: Eine Biografie wie die von Johannes Brahms birgt wahrlich genügend auch uns bekannte Probleme im Dunstkreis von Einsamkeit, Selbstzweifel und Verbitterung, die sich künstlerisch gerade in seinen Liedern niedergeschlagen haben.
Und Ruth Ziesak? Gemeinsam mit ihrem Klavierbegleiter Ulrich Eisenlohr gehört sie zu jener Nachwuchsgeneration von Liedersängern, die diese Gattung wieder über den Rand des Grabes hinaus zu heben vermag. Ihre Stimme schmiegt sich butterweich in die Melodien der Gesänge, und solche Leichtigkeit der Ansprache in jeder Lage findet man allenfalls noch bei Barbara Bonney, Sylvia McNair oder Emma Kirkby. Eine gewisse distanzierte Kühle, die Ruth Ziesak oft zum Vorwurf gemacht wird, ist auch hier zu bemerken, aber sie schadet nicht unbedingt: Auf der Grundlage der Schönheit von Ziesaks Singen hilft sie auch dem weniger liederfahrenen Hörer, sich in die Kompositionen einzuhören. Insofern ist es sinnvoll, die CD in einer Reihe auf dem neuen Sony-Label "Music For You" zu veröffentlichen. Bedauerlich ist allerdings, dass von der guten Tradition abgerückt wurde, die Texte im Beiheft abzudrucken. Hier wurde am falschen Ort gespart.

, 01.09.2007


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