Telarc/Inakustik 080715
(75 Min., 11/2007) 1 CD
Zum Glück besagt noch keine EU-Verordnung, wann man den Mitschnitt eines Auftritts im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie als "The Berlin Concert" vermarkten darf. Eine Sensation, von der man nach Simone Dinnersteins Debüt mit den „Goldberg-Variationen“ 2005 im Weill-Saal der Carnegie Hall sprach, war ihr Berlingastspiel trotz aller positiven Kritik jedenfalls nicht. Lust, diese Pianistin öfter zu hören, macht dieser Konzertmitschnitt allerdings sehr wohl. Wieder zeigt sich, dass es vor allem ihr Zugriff auf Bach ist, der sie aus der Masse begabter Pianisten heraushebt. Der fünften französischen Suite verleiht sie fast etwas Katzenhaft-Verspieltes: Sanft und zärtlich streichelt sie das Thema der eröffnenden Allemande, um sich in den schnelleren Sätzen in kecker, aber doch nie würdeloser Virtuosität zu ergehen. Die Lebendigkeit ihres Spiels ist die Folge äußerst vielfältiger Dynamik, geschmackvoller Verzierung der Wiederholungsteile und einem häufig eingesetzten, aber völlig organisch wirkenden Rubato.
Dinnersteins ungezwungenen und doch nicht leichtfertigen Umgang mit Bach scheint der 1963 geborene Philip Lasser mit seinen zwölf Variationen über den Choral "Nimm von uns Herr, Du treuer Gott" auf der Ebene der Komposition fortzuführen: Die handwerklich tadellos gearbeiteten Stücke, die stilistisch zwischen Impressionismus und Jazz pendeln, sind der Pianistin wie auf den Leib geschrieben. Nicht so Beethovens Sonate op. 111. Besonders dort, wo es das schnelle und hakige Passagenwerk des Stücks in eine zwingende Ordnung zu bringen gilt, fehlt es der jungen Pianistin noch an letzter Souveränität und rhythmischem Biss.
Carsten Niemann, 12.09.2008
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