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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Franz Schubert

Streichquartett d-Moll „Der Tod und das Mädchen“ D 810, Streichquartett Es-Dur D 87

Mandelring Quartett

Audite/Edel 1092507ADT
(70 Min., 3/2003) 1 CD

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Franz Schubert

Streichquartett d-Moll „Der Tod und das Mädchen“ D 810, Quartettsatz c-Moll D 703

Jerusalem Quartet

harmonia mundi HMC 901990
(52 Min., 9/2007) 1 CD

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Diese zwei Neuaufnahmen von Schuberts „Tod und das Mädchen“-Quartett unterscheiden sich vor allem darin: Das eine Ensemble macht äußerst gepflegte Kammermusik – das andere spielt um sein Leben. Das heißt allerdings nicht, das Jerusalem Quartet sei dem Material gerade eben noch gewachsen; und das andere, das Mandelring Quartett, über jeden technischen Belang erhaben. Wenn überhaupt, haben die Jerusalems das noch virtuoser „drauf“, nur ihre Haltung ist eben eine ganz andere. Das Existenzielle dieses fahlen Schubertquartetts, das Ausweglose, das Absolute, das frenetisch gegen ein Schicksal Anspielende – das gelingt ihnen so viel authentischer als den sehr souveränen, vorzüglich differenzierenden Musikern, die sich als Ensemble „Mandelring“ nennen. Der Tod umgarnt das junge Mädchen auch bei den vier Deutschen mit seinem „Sei guthes Muth's! ich bin nicht wild,/Sollst sanft in meinen Armen schlafen“. Aber nur bei den vier jungen Russen des Jerusalem Quartet entlarvt sich das als eine Ungeheuerlichkeit, weil kein noch so sanfter Tod einem jungen Mädchen vorspielen darf, er wäre in Wahrheit der Geliebte. Diese Version fiebert vom Beginn des Werkes an, treibt die quasi-orchestrale Grenzüberschreitung unerbittlich vorwärts. Und kommt es dann zum Schwur, zur Konfrontation Tod/Mädchen im langsamen zweiten Satz, ist das wie tonlose Sich-Fügen des Mädchens der Auftakt zum großen Verführungsreigen des Todes; was danach noch hochkocht, bleibt Euphorie, das Sich-Stemmen-Wollen gegen das Unausweichliche. Und auch wenn die Aufnahmetechnik mehr Nachhall um die vier Russen baut als notwendig gewesen wäre, kann es die überlegenere Deutung doch nicht verkleistern, die verstört, wo „gutes Gelingen“ eher zufrieden stellt.
Rein technisch gesehen, in Sechzehnteltriolen oder Prestosynkopen artikuliert, geben einander beide Aufnahmen nicht viel, nehmen einander auch nicht viel. Trotzdem trennen sie Welten. Dass die Mandelrings den Ursprung des Quartetts manchmal im Biedermeier wiederfinden, ist ja durchaus legitim; nur klingt der Meier dann eben auch oft bieder, das kann man ihm gar nicht verdenken. Fesselnd und daher eine Art von Geiselnahme des Hörers ist die Version der Jerusalems: Es gibt keine einleuchtendere. Nun soll aber nicht einfach das Bessere zu des Guten Feind erklärt werden. Auch die Mandelring-Aufnahme, Volume eins eines geplanten Schubertzyklus', repräsentiert das Stück mit hoher Akribie und Einfühlung. Sie hat auch mit der „Zugabe“ des Es-Dur-Quartetts op. posth. 125/1 mehr Fleisch auf den Knochen. Aber die Jerusalems schaffen es eben auch, musikalisch mitzuteilen, warum der Quartettsatz c-Moll (ebenfalls op. posth.) Fragment blieb, Fragment bleiben musste. Und dann, zwischen der höchsten Leidenschaftlichkeit, derer Schubert im „Tod und das Mädchen“-Quartett fähig war, und dem tatsächlichen Verstummen nach dem Allegro assai des Quartettsatzes – rückt der Ende 20 schon „späte“ Komponist uns unversehens näher als uns vielleicht lieb ist. So wie Musik („Boléro“, „Le sacre du printemps“, „Salome“) oft zuerst einmal Skandal ist und dann „Klassik“ wird, geht Schuberts Spätwerk in der Jerusalem-Aufnahme den umgekehrten Weg: Es wird wieder skandalös. Und das ist die x-te Aufnahme dieser Quartettmeilensteine nach Beethoven allemal wert.

Thomas Rübenacker, 19.09.2008




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