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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Mit blutroten Segeln pflügt sich das Modellschiff des Holländers durch die Wellen eines riesigen Wasserbassins. Wenig später steht Donald McIntyre hüfthoch im Wasser und klammert sich an einen wackeligen Anker. Zum Auftrittsmonolog rollt er mit den Augen, reckt die Fäuste und schaut angemessen verzweifelt in die Kamera. Offenbar war es beim Drehen kalt wie im norwegischen Wintersturm, denn wenn den Sängern nicht gerade kübelweise Wasser ins Gesicht geschüttet wird, steht ihnen zum Playback stets der Atemnebel vor dem Mund. Die Spinnstube würde andernorts glatt als Gibichungenhalle aus der "Götterdämmerung" durchgehen, in der Küche rupfen die Mädchen Gänse und putzen Möhrchen. Opernverfilmungen im Fernsehstudio sind immer heikel, doch dieser "Holländer" segelt so hart am Wind der Selbstparodie, dass die Havarie schon wieder kultverdächtig ist. Vor allem kann Regisseur Václav Kašlik den Sängern die üblichen Operngesten nicht abgewöhnen. Obwohl die Kamera immer nah dran bleibt, spielen sie als wären sie in der Arena di Verona bei Bodennebel. Die Bildästhetik ist deutlich angelehnt an britische Vampirfilme der Siebzigerjahre, Wagners Leitmotivtechnik wird genutzt wie der Soundtrack eines Horrorstreifens. Da nutzt es wenig, dass der Dirigent Wolfgang Sawallisch für die Tonspur sein ganzes Können aufbietet.
Das Bayerische Staatsorchester spielt differenziert und spannungsgeladen, so bleibt die Partitur im sinfonischen Fluss, die Sänger fühlen sich hörbar wohl und müssen keine Sorge haben unterzugehen. Donald McIntyre klingt als Holländer frischer und dämonischer als im wenige Jahre später aufgenommenen Chéreau-"Ring", Bengt Rundgren singt einen hinreißend gierigen Daland und Hermann Winkler überzeugt als höhensicherer Erik. Einzig Catarina Ligendza erreicht nicht ganz die Intensität, die sie einst auf der Bühne auszeichnete. Es bleibt ihr allerdings auch nicht viel mehr übrig, als immer wieder sehnsüchtig den Blick zu senken oder in die Ferne schweifen zu lassen. Da kämpft auch eine begnadete Darstellerin auf verlorenem Posten.

Uwe Friedrich, 11.10.2008


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