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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Es scheint billig, sich an Mozarts Urteil ranzuhängen und dessen europaweit tätigen Zeitgenossen, den Geistlichen, Komponisten, Orgelbauer und Musiktheoretiker Georg Joseph Abbé Vogler als jemanden abzustempeln, "der sich viel einbildet und nicht viel kann". Bei allem lobenswerten Ausgrabungseifer, den Gerd Guglhör jetzt bei seiner Einspielung des fast einstündigen Es-Dur-Requiems von Vogler an den Tag legte: Mozart hatte nicht ganz Unrecht, jedenfalls was die Faktur dieser vermutlich 1805/06 in München komponierten Totenmesse angeht. Da stehen durchaus anspruchsvoll gesetzte kurze Geistesblitze (wie der dramatische Orchesterbeginn des "Dies irae") neben harmonisch einfachst gestrickten Langweilern: ausgerechnet dieses – abschließend wiederkehrende – "Quantus tremor" und "Tuba mirum" soll von den Schrecken des Jüngsten Gerichts künden?! Zweifellos originell kommt das pianissimo anhebende "Sanctus" oder das von Guglhörs Solistenquartett makellos präsentierte "Benedictus" daher – und Voglers Klangfarbenkunst ist auch nicht zu verachten. Aber das ändert nichts an vielen "Verlegenheiten" satztechnischer Art, etwa wenn rasante Geigensechzehntel den homofonen Chorsatz verdecken (sollen) oder wenn bei einschlägigen Textstellen nur die üblichen "schrecklichen" Dissonanzakkorde aufgesetzt werden. Man könnte, positiv, von einem lehrreichen Einblick in die Werkstatt jener "Mittelmäßigen" sprechen, die Miloš Formans Salieri so bitter gegen den göttlichen Amadeus verteidigte. Hier öffnet einem Haydns kurzes, aber hinreißendes C-Dur-"Te Deum" aus dem Jahr 1800 die Ohren zu einem für Vogler ernüchternden Vergleich. Ernüchternd auch – bei aller spürbaren Emphase der Laiensänger – manche Intonationsmängel von Guglhörs Münchener orpheus chor. Höchste Anerkennung dagegen für die schlagkräftige und reaktionsfreudige Neue Hofkapelle.

Christoph Braun, 26.09.2009


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