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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Richard Wagner

Der Ring des Nibelungen

Div. Solisten, Orchester der Bayreuther Festspiele, Chor der Bayreuther Festspiele, Christian Thielemann

Opus Arte/Naxos OACD9000BD
(896 Min., 7 u. 8/2008) 14 CDs

Christian Thielemanns "Ring" ist einer der langsamsten aller Zeiten. Auf 14 CDs benötigt er 14 Stunden und 56 Minuten. Furtwängler war beispielsweise noch langsamer. Karl Böhm dagegen brauchte 1966 nur 13 Stunden und 34 Minuten. Zur Erinnerung: Wagner fand schon die Uraufführung mit Hans Richter am Pult zu langsam, und der war immerhin eine halbe Stunde schneller als Thielemann. Die Besonderheit des "unsichtbaren" Bayreuther Orchesters birgt seit je die Gefahr von zu langsamen Tempi. Schon Cosima notierte Richards Ausruf: "Nicht einen Menschen hinterlasse ich, welcher mein Tempo kennt." In Bezug aufs "Rheingold" wurde er gegenüber einem seiner Dirigenten deutlich: "Wenn Ihr nicht alle so langweilige Kerle wärt, müsste das Rheingold in zwei Stunden fertig sein." Thielemanns "Rheingold" benötigt 2 Stunden 21 Minuten.
Was die Sänger angeht, so schwebte Wagner so etwas wie ein "deutscher Belcanto" vor. Er bevorzugte Singen, nicht Schreien. Doch das sind nicht gerade die Vorzüge dieses "Rings". Im Gegenteil: Der überanstrengt forcierende Stephen Gould quält sich und den Hörer als Siegfried. Linda Watson singt eine hörbar überalterte Brünnhilde. Albert Dohmen ist immerhin ein akkurater Göttervater Wotan. Auch Kwangchul Youn (Hunding), Christa Meyer (Erda) und Hans-Peter König (Hagen) sind sängerische Lichtblicke. Umso deprimierender ist der Siegmund von Endrik Wottrich, der eklatanteste sängerische Ausfall dieser auch klanglich enttäuschenden Einspielung.
Nun ist die Bayreuther Akustik beim "Ring", der von dichteren Strukturen lebt als "Parsifal", tückisch, da sie die Kontrapunktik dieses Werks verwischt. Der Dirigent muss dagegen arbeiten. Das aber ist Thielemanns Sache nicht: Er will Wagner nicht analysieren und verständlich machen, er will eher benebeln und berauschen, mit Pomp und Pathos. Dabei betonte Wagner: "Stimmung ist gar nichts. Die Hauptsache ist und bleibt Kenntnis." Fazit: Vergleicht man Thielemanns über weite Strecken spannungslosen, langatmigen "Ring" mit anderen Bayreuther "Ring"-Mitschnitten, so wird man ihn nicht zu den Besten zählen können.
Last but not least die Aufnahmetechnik: Katharina Wagner, die diesen "Ring" als Auftakt einer langfristigen Zusammenarbeit mit dem britischen Label Opus Arte betrachtet, betonte bei ihrer Präsentation dieser Veröffentlichung: "Wir haben selber mikrofoniert. Ich kann sie beruhigen, es ist kein Radiomitschnitt." Wäre es doch einer gewesen! Der Mitschnitt des BR war wesentlich durchsichtiger, brillanter und präsenter als die nun vorgelegte CD-Produktion, die klingt, wie durch einen dämpfenden Vorhang aufgenommen.

Dieter David Scholz, 05.12.2009


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Kommentare

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Lieber Herr Scholz!

Ihrer Einschätzung stehe ich bis auf Endrik Wottrichs Darstellung vollkommen konträr gegenüber! Gerade die Klangqualität ist es, was diesen Ring aus Bayreuth ausmacht-ganz zu schweigen von der orchestralen Durchhörbarkeit, die eine Christian Thielemann - immerhin der Wagner-Dirigent seiner Generation- in diesem Jahr in Bayreuth vollbracht hat. Ich zähle sie (die Orchesterleistung) - und das aufgrund von Vergleichen mit 11 anderen Ringeinspieleungen (u.a.Karajan, Böhm, Solti, Keilberth) zu den Besten, die es je gab! Auch ein Albert Dohmen gibt einen guten bis sehr guten Wotan und Wanderer ab, ganz zu schweigen von der Glanzleistung eines Gerhard Siegel als Mime! Wie man in der unterschiedlichen Rezension ihres Blattes gegenüber anderer Klassikzeitschriften (Fono Forum, klassik akzente...) schon wieder erkennen kann ist \"Irren eben doch menschlich\"! Übrigens es kann wirklich nicht sein, dass mehrere hochrangige Tageszeitungen Deutschlands und Europas sich irren, die diesen Ring zumindest orchestral als Meilenstein nach der Aufführung bezeichnet haben.

Mit freundlichen Grüßen
ein "Beckmesser"


Hallojenshans, ich finde, das sollte man differenzierter betrachten. Die einzige Kritik an Thielemann, die ich in dem Artikel lese, ist das zu langsame Tempo. Ich fand es interessant zu lesen, was sich Wagner selbst für Tempi gewünscht hatte. Das Tempo von Thielemann ist in der Tat so langsam, dass es mich ebenfalls stört. Darüber kann man natürlich anderer Ansicht sein und vermutlich sind Herr Scholz und ich in der Minderheit, ich persönlich wundere mich aber trotzdem immer, wie die Leute massenweise von ihren Sitzen hochspringen wenn Herr Thielemann in Bayreuth vor den Vorhang tritt. Dieser Hype ist mir sehr suspekt. Gesanglich, und da gibt es auch keinen Dissenz im Publikum oder der Medienlandschaft, ist dieser Ring keine Meisterleistung. Hätte doch nur die Aufnahme 2009 stattgefunden mit Christian Franz als Siegfried. Aber selbst das ließe nicht über Linda Watsons schwache Leistung hinwegsehen. Ich habe gerade den 2009er Radio-Siegfried mit dem CD-Siegfried verglichen. Letzterer klingt in der Tat etwas gedämpfter, dafür sind die Stimmen mit dem Orchester besser ausbalanciert. Die perfekte Aufnahme gibt es wohl nicht.


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