Challenge Classics/SunnyMoon CC72357
(158 Min., 4/2009) 3 CDs
Solistisch besetzte Einspielungen von Bachs Matthäuspassion gibt es erst seit vergleichsweise kurzer Zeit: Während etwa die h-Moll-Messe schon 1984 von Andrew Parrott in sehr kleiner Besetzung auf Schallplatte vorlag, wurde die Matthäuspassion erst knapp zwanzig Jahre später, im Jahre 2002, von einer einfachen Sängerbesetzung (unter Leitung von Paul McCreesh) für die CD musiziert. Im Jahre 2007 folgte John Butt mit seinem "Dunedin Consort" – und nun präsentiert Sigiswald Kuijken das Werk mit seiner "Petite Bande" im Rahmen seines umfangreichen altersweisen Neuzugriffs auf Bachs Vokalmusik. Kuijken gibt in einem Interview, das im Beiheft abgedruckt ist, unumwunden zu, dass ihn die Minimalbesetzungstheorien, wie sie in den 80er Jahren von Joshua Rifkin und Andrew Parrott präsentiert wurden, nicht von Anfang an überzeugt haben. Umso konsequenter verfährt er mittlerweile nach diesen Maßgaben: Bei ihm musiziert nicht nur die Sänger-, sondern auch die Streicherbesetzung vollkommen solistisch. Das Ergebnis erstaunt prinzipiell auch bei der Matthäuspassion nicht mehr, denn wir konnten uns ja mittels der oben genannten Einspielungen bereits an das seinerzeit noch sehr ungewohnte akustische Erscheinungsbild gewöhnen. Allerdings fasziniert in Kuijkens Version noch einmal ganz besonders die perfekte Homogenität der Sängerriege gleich im großen Eingangschor, gepaart mit einzigartiger Klangschönheit. Gleichzeitig wird indes die polyfone Satzstruktur der Musik nicht verdeckt: Jeder einzelne Choral offenbart in dieser Aufnahme ganz unaufdringlich auch sein differenziertes "Innenleben". Kurzum: Eine Menge Erfahrung des Ensembleleiters mit jeder einzelnen Nummer spricht aus dieser Interpretationsleistung. In der Sängerbesetzung gibt es kaum Schwächen: Christoph Genz ist nicht gerade ein hochdramatischer Evangelist, aber das passt in Kuijkens Konzept einer vergleichsweise verinnerlichten Darbietung; auch die aufwühlenden Dialoge in den Rezitativen werden dem Hörer nicht um die Ohren gehauen. Statt mit Dramatik und allerlei interpretatorischen Effekten zu überwältigen, gewährt Kuijken Raum zur Verinnerlichung. Und vor diesem Grund ist sein Bach auch hier wieder – trotz aller Klangschönheit – in vieler Hinsicht bemerkenswert asketisch: Man höre nur auf die Aussetzung des Continuoparts. Sparsamer kann ein improvisierender Organist hier kaum vorgehen.
Michael Wersin, 20.02.2010
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