K617/harmonia mundi K617215
(68 Min., 10/2008) 1 CD
Französische geistliche Musik aus dem 17. Jahrhundert, dargeboten unter der Leitung eines Dirigenten, der sich auf dieses Repertoire spezialisiert hat: Olivier Schneebeli, einst Assistent von Philippe Herreweghe und Mitstreiter von William Christie, ist heute ein gefragter Ensembleleiter und Kinderchorspezialist. Der von ihm verfasste Beihefttext, sehr persönlich gehalten, offenbart sein ausgesprochen breites Wissen und seinen sehr persönlich geprägten Zugang zur Musik Pierre Roberts (ca. 1625-1699) und seiner Zeitgenossen. So ein Beihefttext ist durchaus eine Besonderheit im Einerlei der professionell von Musikwissenschaftlern verfassten Booklet-Beiträge, die nur selten von direktem Kontakt mit den Interpreten zeugen.
Der "Grand motet", im barocken Frankreich so wichtig wie andernorts die Messe, ist dem heutigen Publikum noch immer bei Weitem nicht so vertraut wie die barocke Kantate: Seine eigene Ausdruckswelt manifestiert sich schon im von höfischen Tänzen geprägten Tonfall, im französisch prononcierten Latein, in der Verwendung speziell timbrierter Haute-contre-Stimmen, in einer ganz speziellen Art der musikalischen Rhetorik, die nur wenig mit der deutschen Spielart dieses Barockspezifikums zu tun zu haben scheint. Im Wesentlichen sind es Psalmen, die auf diese Weise in Frankreich zur Vertonung gelangen: "De profundis" (130), "Quare fremuerunt gentes" (2), "Te decet hymnus" (64) und "Nisi Dominus" (126) im vorliegenden Fall. Im fließenden Wechsel gelangen Continuo-begleitete Solisten und unterschiedlich große Chorgruppen zum Einsatz. Schneebeli fand für diese CD eine Solistenriege, die der galant-sensiblen Linienführung ebenso gerecht zu werden vermag wie dem Text. Jenes ungehemmte vokale Fließen, wie es aus der deutschen Barockmusik vertraut ist, steht dabei (planmäßig) nicht so sehr im Vordergrund. Man muss sich einhören in diesen Stil, man muss sich tatsächlich immer noch einhören in dieses überraschend fremde Repertoire – und man nehme dazu unbedingt den Text der Stücke zur Hand, den das Beiheft allerdings nur im originalen Latein und in Französisch anbietet.
Michael Wersin, 27.03.2010
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