Die Geschichte des Jazz ist schon oft erzählt worden. Immer folgt die Darstellung den Verbreitungsetappen der Musik mit ihren klassisch gewordenen Stilkategorien: New Orleans, Chicago, Kansas City, New York (Bebo), Westcoast und wieder New York (Hardbop/Free Jazz). Viele Bilder sind bekannt. Der Fundus an Filmmaterial ist schließlich bis in die Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts hinein eher beschränkt. Ken Burns 19-stündige Fernsehserie ist der Klassiker und das Monumentalwerk des Genres. Wer allerdings nicht so viel Lebenszeit in einen Überblick investieren möchte, ist mit Matthew Seigs DVD gut bedient. Auch sie folgt dem bekannten Schema, setzt dabei aber interessante Schwerpunkte, denn sie geht zurück auf die vielfach prämierte Fernsehserie "Masters of American Music", deren Folgen jeweils einem Meister des Jazz gewidmet sind und die zum Teil, wie das profunde Porträt Thelonious Monks, schon auf deutschen Spartenkanälen zu sehen waren. Wie in der Serie sind auch bei "The Story of Jazz" die wichtigen Zeitzeugen kundig entlockten und somit erhellenden Statements besonders beeindruckend. Trotz der relativ beschränkten Zeit für die Story bleibt der Erzählduktus angenehm entspannt und lässt der Musik genügend Raum. Für die Geschichte des Jazz bis 1960 ist so eine hervorragende Dokumentation gelungen. Doch danach kommt im Film fast nichts mehr. Ornette Coleman, der Free Jazz und die Fusion-Bewegung kommen gerade noch als kleine Randbemerkung vor. Und das Jazzgeschehen außerhalb der USA und seine Bedeutung für den Jazz in den USA bleiben gänzlich unerwähnt. Die Enttäuschung über eine derartig verkürzte Geschichtsschreibung wird nur dadurch gemildert, dass das alte Filmmaterial mit Erfolg digital aufbereitet wurde und so manch bekannte Aufnahme in neuer Qualität erstrahlt.

Thomas Fitterling, 17.04.2010

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