home

N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Responsive image mb-5

The Young Romantic. A Portrait of Yundi. Ein Film von Barbara Willis Sweete.

Yundi Li

medici arts/Naxos 3079058
(88 Min., 2008 (Bonus: 2004)) Bonus: Chopin: 4 Scherzi, Liszt: Paganini-Etüde

Da stellen sich Gralshütern der abendländischen Kultur die Nackenhaare auf: "In China gibt es mindestens 20 Millionen aufstrebende Konzertpianisten". Mit diesem Menetekel, untermauert von Einblicken in den Produktionsprozess riesiger Klavierbaufabriken, beginnt Barbara Willis Sweete ihr beeindruckendes Porträt des im Jahr 2008 26-jährigen Pianisten Yundi Li. Und formuliert gleich dessen Stellung (und Funktion) auf dem offenbar gen Westen brandenden Tsunami fernöstlicher Tastenakrobatiker: "Für die allermeisten von ihnen ist er ein Held". Mit anderen Worten: Li hat – wie schon vor ihm sein geschätzter Kollege Lang Lang – geschafft, was die restlichen 19,999 Millionen Landsleute noch versuchen: Seine ehemalige Schule in Shenzhen setzte ihm nach dem fulminanten Sieg beim Warschauer Chopin-Wettbewerb 2000 ein riesiges Denkmal, er steht als Wachsfigur bei Madame Tussauds, seine Auftritte beim Pop-Idol Jay Chou lassen Zehntausende Girlies aufkreischen und sein Wechsel des Plattenlabels besitzt weltweiten Nachrichtenwert. Sweete belässt es gottlob nicht bei der glamourösen Trophäenschau. Wie sie Lis Werdegang vom dreijährigen Akkordeonspieler und außergewöhnlich begabten siebenjährigen Klavierschüler präsentiert, der – typischerweise – von einer ehrgeizigen Mutter und wenig zimperlichen Lehrern mit Schlägen auf die Finger zur Konzentration im sechs- bis achtstündigen Tagesübepensum angehalten wird, wie Sweete die Drill-Karriere dieses konfuzianisch-bescheidenen "Jungen" ("Yundi") zum Weltklassekünstler in Chinas Einkind-Erziehungssystem einbettet, das macht ihr Porträt auch zu einer brisanten Studie über globalisierte Kulturpolitik. Bekanntlich kommt jeder dritte Student deutscher Musikhochschulen aus dem Ausland, zumeist aus Fernost (Li selbst studierte auch in Hannover). Das beliebte Argument unserer Abendland-Bewahrer: Masse ist noch keine Klasse! Asiaten sind technische Meister ohne Herz! – diese Einwände haben sich inzwischen (in der zweiten, westlich geprägten Künstlergeneration aus Fernost) weitgehend überholt. Yundi Li ist hierfür ein prominentes Beispiel. Seine wahrhaft schweißtreibenden Berliner Proben für Prokofjews zweites Klavierkonzert mit den Berliner Philharmonikern unter Seiji Ozawa und die DVD-Zugaben von 2004 mit Chopins Scherzi und Liszts "Campanella" belegen es zur Genüge: So viel wilden Furor und kontemplativ zarte Anschlagskunst zaubern zehn Finger selten zusammen.

Christoph Braun, 05.06.2010


Diese CD können Sie kaufen bei:

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen



Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.


Abo

Top