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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Drei kompositorisch eigenständige Anläufe und ein Sujet, das hemdsärmelige Opera buffa, politisch-moralisches Gefangenendrama und menschheitliche Erlösungsvision unter einen Hut bringen will. Und auch noch ein ziemlich unglaubwürdiges Happy End mit Deus ex Machina: Beethovens "Fidelio" bereitet jedem Opernhaus Kopfzerbrechen. In Zürich führte er das eine Mal zu Langeweile, das andere Mal zu einem hinreißenden Beethoven-Erlebnis.
Im Oktober 2008 lief alles ab wie gewohnt. So kantig die Schauspielerin Katharina Thalbach, so kreuzbrav die Opernregisseurin, nicht nur bei den realistischen Kostümen (da mutete schon ein eigenartigerweise als Dandy verkleideter Pizarro provokativ an). Von Personenführung, Charakterstudien keine Spur, stattdessen kummervolles Hand-aufs-Herz-Legen oder wütendes Faust-Recken – und Standfußsingen wie in den Sechzigern. Und das auch noch recht gruselig in der zentralen Paar-Partie. Melanie Diener, an diesen Abenden wahrlich keine Leonoren-Heroine, kämpfte mit Intonation und Durchsetzungsvermögen. Ihr Florestan Roberto Saccà mimte zwar recht ausdrucksstark, erklomm seine tenoralen Höhen jedoch nur mit nervigstem Tremolo. Ansonsten Hausmannskost, auch aus dem Orchestergraben, wo Altmeister Haitink lange Zeit schauen musste, dass das singende Bühnenpersonal nicht zu asynchron mit den Musikern aneinandergeriet. Erst ab der (eingeschobenen dritten) Leonoren-Ouvertüre war dann echter Beethoven-Verve zu spüren.
Für den sorgte im Februar 2004 (auch ohne Ouvertüren-Dreingabe vor dem Schlussbild) von Anfang an Harnoncourt, der einmal mehr seinem Ruf als akribischer, feinfühliger und aufwühlendster aller Beethoven-Psychographen gerecht wurde. Kongenial Jürgen Flimms blutvolle Regiekunst, die auch auf Zwischentöne achtet – wie beispielsweise die Enttäuschung Marzellines im Befreiungsjubel. Angefangen vom unverwüstlichen László Polgár über Alfred Muff (hier als Don Pizarro, 2008 als Rocco) bis zur mitreißenden Titelheldin Camilla Nylunds und einem Jonas Kaufmann, der ganz offensichtlich schon Jahre vor seinem jetzigen Hype tenoral auftrumpfen und glaubwürdig schauspielern konnte: Dieser "Fidelio" geht unter die Haut.

2 Punkte (Haitink/Thalbach)
5 Punkte (Harnoncourt/Flimm)

Christoph Braun, 23.10.2010


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