DG/Universal 477 9299
(68 Min., 5/2010)
Das Bekenntnis, das Lisa Batiashvili im Booklet ihrer neuen CD abgibt, führt ein wenig in die Irre. Denn auch wenn sie über ihren Lehrer "ebenso emotionale wie sehr präzise Informationen" über Schostakowitschs erstes Violinkonzert aus dem Wissensschatz David Oistrakhs vermittelt bekam, erinnert kaum etwas in ihrem Spiel an den legendären Uraufführungsinterpreten des Werks. Das ist erst einmal gut: Statt eine Kopie abzuliefern, entwickelt die Georgierin eine ganz andere, sehr persönliche Lesart. Das große Drama, die ausladende romantische Schicksalsgeste ist ohnehin nicht Batiashvilis Sache, das haben schon ihre bisherigen Einspielungen (Sibelius, Beethoven) gezeigt. Dass auch Schostakowitschs im Zeichen des stalinistischen Terrors entstandenes Konzert einer leichten, intimen Sicht zugänglich ist, verblüfft erstmal. Im Scherzo etwa verschwindet der Sarkasmus zugunsten einer gelenkigen Beschwingtheit, in den langsamen Sätzen spielt die Geige die schöne, zarte Seele, während es dem Orchester unter Esa-Pekka Salonen überlassen bleibt, Härte zu zeigen. Dieses ungewohnte Schostakowitsch-Bild überzeugt, weil Batiashvilis Spiel nie gekünstelt oder gar süßlich klingt und sie große Linien mit bezwingender Natürlichkeit entwickelt. Batiashvili ist eine Meisterin der leisen Töne, diesen Eindruck bestätigt auch das Beiprogramm: Statt mit virtuosen Kinkerlitzchen füllt sie ihre CD mit ruhig minimalistischen Stücken von Kancheli, Pärt und Rachmaninoffs "Vocalise" – quasi als Chill-out-Zone nach der konzertanten Emotion.
Jörg Königsdorf, 16.04.2011
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