Es ist sicher widersinnig, PR-Agenten die Realität vor Augen zu halten. Aber was der zweifellos attraktiven, auch auf dem Ego-Buchmarkt präsenten Hélène Grimaud seit Jahren und nun penetrant und überall angedichtet wird: sie sei eine Philosophin am Klavier, ihre Einspielung von Beethovens Es-Dur-Konzert eine "Seelenwanderung durch die Täler der Weltverzweiflung über die Gipfel der Ideologien", bei der wir statt "Blut, Schweiß und Tränen ... Gedanken, Reflexionen, Ideen" hören – dieses hochtrabende Palaver ist tauber Nonsens angesichts einer Beethovenexegese, die eintöniger bzw. konventioneller kaum sein könnte. Angefangen von einem weitgehend unflexibel harten Anschlag über minutenlanges Dauerforte bis zum drögen Einheitstempo: Selten bleibt Beethovens wahrhaft außergewöhnliches Opus derart gewöhnlich. Weder den berühmten Moll-Eintrübungen des Kopfsatzes noch dem intimen Adagio kann Grimaud "Geheimnisse" entlocken, geschweige denn "Ideen" oder gar eine "Philosophie". Schließlich irritieren auch kleine technische "Hudeleien", unsaubere Triller und gehetzte Triolen. Und ihr orchestraler Partner, dem Beethoven die Rolle des wahrhaft macht- und glanzvollen Gesetz- bzw. Themengebers zugewiesen hat? Vladimir Jurowski vertut seine Chancen: Die Staatskapelle spult – passenderweise, muss man leider sagen – ihren Part weitgehend undifferenziert als "Begleitung" ab, von fantasievoller, atmender Tempo- und Phrasengestaltung kann keine Rede sein. Wie faszinierend dialogisierend und rivalisierend diese aussehen kann, das lässt sich etwa bei Harnoncourt und Pierre-Laurent Aimard studieren. Gegenüber dem enttäuschenden Opus 73 hat Grimauds späte A-Dur-Sonate durchaus ihre spannenden, sprich: ideenreichen, nach-denklichen Momente. Aber reicht das schon zur Klavierphilosophin?

Christoph Braun, 01.09.2007

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