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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Franz Liszt

The Sound Of Weimar Vol. 3 – Hunnenschlacht, Hungaria, Mazeppa

Orchester Wiener Akademie, Martin Haselböck

NCA/harmonia mundi NCA 60250
(58 Min., 2011)

Der „Sound Of Weimar“, in dem Martin Haselböck alle Tondichtungen Liszts mit seinem streng historisch ausgerichteten „Orchester Wiener Akademie“ einspielt, geht in die dritte Runde. Zwei der hier eingespielten Werke stehen ganz unter der Gloriole Ungarns. Das wird dessen heutige Nationalisten in ihrer Vorgestrigkeit freuen – zunächst. Und manchen Hörer langweilen, kann das nationalistische Idiom doch leicht den Blick auf Liszts geniale Orchesterkunst vernebeln. Aber gerade dagegen hilft Haselböcks Projekt. Vier eng bedruckte Seiten wendet das booklet auf für die Instrumentenherkunft der Wiener Akademie (und nochmals drei zur Instrumentenentwicklung im Orchester der Liszt-Zeit). Da staunt der Laie – und wundert sich, dass die Ankündigung, man spiele „auf Originalinstrumenten des 19. Jahrhunderts“ doch des Öfteren von heutigen Baudaten – vermutlich Nachbildungen – konterkariert wird.
Gleichwohl machen schon die ersten Takte der „Hunnenschlacht“ klar: Der historische Materialaufwand, mit dem Haselböck Liszts Weimarer Hofkapelle wieder zum Klingen bringen möchte, lohnt. Denn der mit ihm erreichte schlanke, aufgeraute, federnde und zwischen Streichern und Bläsern ausbalancierte Klang wirft neue (alte) Lichter auf dieses musikalische Schlachtengetümmel, das Liszt 1857 nach Wilhelm von Kaulbachs monumentalem Historiengemälde schuf. Wobei er nicht eigentlich das Gemetzel der Christen Theoderichs gegen Attilas Hunnen im Jahr 451 nachbilden, sondern Kaulbachs „Lichtströmungen“ der dunkel-gequälten Asiatenhorde gegen die verklärend-strahlenden Kreuzeskämpfer in orchestrale Farbspiele übersetzen wollte (natürlich mit per-aspera-ad-astra-Katholiken-Sieg). Das lässt sich bei Haselböck sehr viel plastischer nachvollziehen als in herkömmlichen Aufnahmen. Auch von Liszts pompösestem „Hungaria“-Bekenntnis (in der gleichnamigen neunten Tondichtung) sowie seinem ukrainischen „Mazeppa“-Liebesdrama (nach Victor Hugos „Orientales“) behält man oft nur die lärmende Marsch-Pose im Ohr. In Haselböcks prismenartiger Klangauffächerung aber gewinnt Liszts Dissonanzen-Sprache ihre historische, geschichtsträchtige Brisanz zurück. Das dürfte Ungarns Nationalisten von heute so egal sein wie die Tatsache peinlich, dass ihr musikalischer Heros bei den Heiden-Hunnen ausgerechnet auf die Zigeunerskala, mithin auf Ungarisches, zurückgriff.

Christoph Braun, 10.03.2012


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