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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Johannes Brahms

Klaviersonate f-Moll op. 5, Händel-Variationen op. 24

Jonathan Plowright

BIS/Klassik Center BISSACD-2047
(73 Min., 8/2011) SACD

Es wäre nicht falsch, dieses Klavierspiel gediegen, kontrolliert oder geschmackvoll zu nennen, aber das verriete auch eine Art Rezensenten-Hilflosigkeit, denn warum Jonathan Plowright diese zwei frühen Brahmsschen Klavierwerke spielt, bleibt mir ein Rätsel.
Warum die f-Moll-Sonate, wenn er sich ihrer jugendlichen Unausgegorenheit, ihres maßlosen Überschwangs zu schämen scheint? Das schreckliche „vaterländische“ Thema im Finale kann man nicht adeln, indem man es derart steifbeinig aufsagt. Retten kann hier nur, wer nicht retten will, sondern mutig die Flagge romantischer Jugendsünde zeigt. Und in dem herrlichen Andante espressivo, diesem mondscheinüberglänzten, hemmungslos schwärmerischen Weben muss man sich verlieren wollen. Dass der Brite das bewegende Choralthema am Ende, voll bebender, unterschwellig anwachsender Glut (nicht zufällig zitiert es Brahms im Liebeshymnus des letzten der „Vier ernsten Gesänge“), auf dem Amboss eines metronomischen Orgelpunkts zerpaukt, zeugt von einer regelrechten Flucht vor emotionaler Eindringlichkeit, auf der das Sonatenschwärmwerk zur Unverbindlichkeit zerfällt.
Kompositorisch interessanter sind dann aber doch die „Händel-Variationen“, Clara Schumann mit einer gewissen Triumphgeste zugeeignet. Auch hier begnügt sich Plowright mit betulicher Textverwaltung auf hohem pianistischem Niveau. Einzelne Perlen wie das Siziliano oder die „Spieluhr“ mit gelassener Kontrolle zu polieren, das können viele. Doch erst wer drögeren Nummern wie dem Kanon Nr. 6 (misterioso!) dramaturgischen Sinn einhaucht, kann hinter den fast hypertrophen Vorhang gelehrter Technik blicken und zeigen, wie die Variationen einander antworten und ein dichtes Bezugsnetz ausbilden. Plowright aber sieht dieses Werkganze nicht. Auch die finale Beschleunigungsstrecke und die Fuge lassen, derart sonor-gelassen abgeschritten, den selbst in den Aufnahmen einiger deutscher Professoren (Schnurr oder Kraus, vielleicht erinnert sich noch jemand?) spürbaren mitreißenden Sog zur kolossalen Auftürmung weitgehend vermissen. Das Duell der Hochschullehrer hat der Brite verloren.

Matthias Kornemann, 09.02.2013


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