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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Vor fast einem Jahr legte Philippe Herreweghe eine Neuaufnahme von Bachs Messe h-Moll auf seinem Eigenlabel „Phi“ vor – nun war offenbar auch die Zeit für eine weitere Version von Beethovens „Missa solemnis“ gekommen. Was bietet die vorliegende CD gegenüber der 1995er Fassung an Neuem?
Im Blick darauf, dass auch die „Alte“ schon wirklich gut war, muss man sagen: Die Unterschiede sind nicht allzu groß. Mit etwas strafferen Tempi strebt Herreweghe in der Neuaufnahme nach noch mehr Stringenz und Zusammenhalt. Ein wahrhaft schwieriges Unterfangen, wenn man sich vor Augen hält, dass Beethoven die einzelnen Teile des Messordinariums, die man gregorianisch in rund zehn Minuten absingen könnte, durch seine Art der Vertonung zu einer Art „Themenpark“ des Verhältnisses aufgeklärter, selbstdenkender Menschen zu ihrem Gott geformt hat. Die musikalischen Probleme, die das Stück aufbietet, sind immens: Balance zwischen vokaler und instrumentaler Ebene, teils extreme Lagen in den chorischen und solistischen Vokalstimmen, etc., etc. …
Vielleicht ist eine hundertprozentig gelungene Darbietung dieses visionären Werkes gar nicht möglich. Man nehme das vertrackte „Benedictus“: Der Bass-Solist wird sich immer ein wenig quälen, wenn er sich deutlich oberhalb des C1 exponieren muss. Die Altistin wird immer ein wenig dick klingen, wenn sie sich in tiefer Lage durchsetzen will. Das schwierige Violinsolo, so ätherisch der Partitur-Leser es sich vorstellen mag, wird immer ein Problem (z. B. in Sachen Intonation) bleiben. Viele der genannten Hürden hat Herreweghe in der Neueinspielung noch souveräner genommen als in der vorangegangenen. Chor und Orchester, in beiden Einspielungen namentlich identisch, agieren hier wie dort mit einem Höchstmaß an Perfektion, Homogenität, Plastizität, Intonationsreinheit. Kaum mehr als vierzig handverlesene Chorsänger beschäftigt Herreweghe in diesem Stück, bei dem sich in der Vergangenheit gelegentlich zwei Rundfunkchöre gemeinsam die Seele aus den Leibern brüllten. Im Orchester der Neuaufnahme begegnen uns viele Spieler der 1995er Version wieder, der Chor hingegen ist fast komplett neu (frisch?) besetzt. Man genieße die alte, man beschaffe sich bei Gelegenheit vielleicht auch die neue Version Herreweghes: Ein Erlebnis sind sie alle beide.

Michael Wersin, 09.03.2013


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