Sie lässt sich zu Kurt Weill etwas Neues einfallen – und das funktioniert. Die Kopenhagener Sängerin Caroline Henderson, vor ihrer Hinwendung zum Jazz mit der Band Ray-Dee-Ohh eine Disco-Queen, holt den Säulenheiligen des euro-amerikanischen Musicals und Shows mit Elektronik, pulsierenden Rhythmen, Spielereien mit Hall in die pulsierende Gegenwart. O-Ton- und Musikeinblendungen erinnern wohldosiert an die Entstehungszeit in den 1920er und 1930er Jahren. Die „Ballad Of The Soldiers Wife“ ist von bedrohlichem Marschbeat unterlegt, und in „Don’t Be Afraid“ kommen Assoziationen an die Düsternis von Nick Cave und den Undergroundsängern der 1980er hoch.
Eins aber meidet die 51-Jährige: den swingenden Combo-Jazz der 1950er. Ihrem „What Keeps Mankind Alive“ ist eine bedrohliche, unerbittlich rumorende Rock-Basis unterlegt, und der „Train To Heaven“ fährt mit kreischenden Nebengeräuschen auf pulsierenden Beats – und bricht ins Unbestimmte ab. Der „September Song“ bewegt sich zwischen perlenden Regentropfen-Tönen, und „Mack The Knife“ lebt in einer scheinbar heilen Krimi-Welt ‒ allerdings stören diese ein stark verzögertes Echo und spitze Gitarrensounds. „Surabaya Johnny“ ist ihr nur ein paar Pfiffe wert, und im Titelsong „Lonely House“ schaffen reduzierte Kontrabassfiguren und schmatzende Digitalsounds eine mystische Einsamkeitsatmosphäre, über die sich die scheinbar unberührte Gesangsstimme hoffnungsvoll erhebt. Das Konzept, Weills Songs zu entstauben und in eine aktuelle musikalische Umgebung zu heben, funktioniert. Caroline Henderson gelang eine grundlegende Neu-Interpretation von Format.

Werner Stiefele, 13.04.2013

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