Normalerweise überspannt der Himmel die Welt. Bei Drew Gress ist es andersherum. Er sucht den Himmel im Innern und gelangt mit seinem Quintett in musikalische Seelenzustände, bei denen kein Firmament von Horizont zu Horizont reicht, sondern sich atomisierte Klänge aneinander reiben, zum Einklang finden, in getrennte Richtungen auseinanderwehen, isoliert wirken und doch so sehr zusammengehören, wie die Moleküle unserer Atemluft.
Der amerikanische Bassist Drew Gress hat mit dem Altsaxofonisten Tim Berne und dem Trompeter Ralph Alessi zwei Bläser neben sich, die sich von den Bop-Konventionen weit entfernt haben und mit markanten Klangtupfern und ineinander verschränkten Melodien miteinander und mit dem pulsierenden Bass-Piano-Schlagzeug-Gespann von Gress, Craig Taborn und Tom Rainey kommunizieren. Dieser Himmel ist nicht schön oder hässlich, wohl aber von Titel zu Titel anders. Ein scharfer Wind kann die Elemente vorantreiben. Oder sie ballen sich zu dichten Knäueln, die ein starker Impuls weiterschiebt. Oder sie bilden lange Bänder, die Sphären abgrenzen. Das tiefe gegenseitige Verständnis der Musiker sowie ausgearbeitete, Spieldisziplin verlangende Partituren machen die Himmels-Betrachtungen zu einem ungewöhnlichen Erlebnis zwischen Free-Gestus und penibler Planung.

Werner Stiefele, 18.05.2013

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