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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Franz Schubert

Der Wanderer

Florian Boesch, Roger Vignoles

Hyperion/Note 1 CDA 68010
(64 Min., 11/2012)

Der Kosmos der Schubertlieder ist eine Wunderwelt, in der sich der nur gelegentlich vorbeischauende Besucher kaum jemals richtig gründlich auskennen wird: Die schiere Zahl der Klavierlieder, die der früh Verstorbene in erschreckend wenigen Jahren zu schaffen wusste, ist überwältigend; die musikalische Vielfalt und Schönheit ist es nicht minder.
Umso mehr freuen wir uns, dass der österreichische Bariton Florian Boesch auf dieser CD einige Titel vorstellt, die nicht zum Standardrepertoire gehören: Die rauschend überwältigende „Waldesnacht“ zelebrierten vor mehr als einem halben Jahrhundert Dietrich Fischer-Dieskau und Gerald Moore, den choralartig-gemessenen „Kreuzzug“ bringt der Autor vor allem mit Hermann Prey in Verbindung. „Auf der Bruck“ gehört zu jenen Faszinosa, die Sänger wie Pianist gleichermaßen fordern: „I am too busy riding“, raunte Gerald Moore einst während eines Auftritts Dietrich Fischer-Dieskau zu, der anlässlich einer Textlücke hilfesuchend seinen Begleiter anstarrte.
Florian Boesch widmet sich diesem prächtigen Liederstrauß mit seiner sehr persönlichen Art des Singens: Intensiv ist sein Timbre, aber niemals vordergründig oder gar aufdringlich. Die Baritonstimme eignet sich gut für Chiaroscuro-Effekte, womit er dem tödlich ruhigen „Meeres Stille“ eine sehr spezielle Aura des Geheimnisvollen zu geben vermag. Irisierende Kopfstimm-Effekte à la Fischer-Dieskau (wie zelebrierte der damit einst den Mittelteil der „Waldesnacht“!) sind ebenso wenig Boeschs Sache wie metallisch fokussierte Spitzentöne, mit denen etwa in „Auf der Bruck“ Staat zu machen wäre. Und den Text vermittelt er oftmals mehr über die Stimmung als über präzises Deklamieren – wahrlich, er ist nicht in Gefahr, sich das bevormundende Skandieren des späteren Fischer-Dieskau auch nur annähernd zu Eigen zu machen.
Was bleibt am Ende einer solchen Reihe von Negativ-Definitionen als eigene Qualität von Boeschs Liedgesang, dessen Attraktivität ja nicht zu bezweifeln ist? Eine schmale, aber im Kleinen sehr ausdifferenzierte Palette von stimmlich-sprachlichen Ausdrucksmitteln, die Einheitlichkeit des Vortrags garantieren und gleichwohl den Hörer durch ihre Intimität tief in jedes einzelne Lied hineinziehen, mit denen Boesch aber selbst in exponierten Passagen niemals exaltierte Hurra-Wirkungen erzielt.

Michael Wersin, 01.03.2014


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