Wer seine Band „Jass Syncopators“ nennt, verneigt sich – zumindest verbal – vor der Vergangenheit, denn im 19. Jahrhundert wurden die Tanzmusik-Vorläufer des Jazz tatsächlich als „Jass“ bezeichnet. Nur: Die Vergangenheit zu achten, bedeutet noch lange nicht, sich aus der eigenen Zeit zu stehlen. Im Gegenteil. Der Pianist Elio Villafranca, 2006 aus Kuba in die USA emigriert, spielt mit seinem Quintett und Sextett wunderbaren zeitgenössischen akustischen Jazz. Acht Eigenkompositionen vereint der Live-Mitschnitt von zwei Konzerten aus den Jahren 2011 und 2012 im Jazzclub des New Yorker Lincoln Center, allesamt ausgereift, teilweise voll von bis ins Detail definierten Passagen, die zudem Raum für feurige Soli lassen, teilweise auch offener angelegt. Dabei greift der Kubaner ausschließlich auf karibische Rhythmen zurück – allerdings nicht in der glatten Version der Tanzmusik, sondern höchst kunstvoll verästelt, gespickt mit Breaks, überraschenden Wendungen und gerade dadurch voll Feuer. Die „Jass Syncopators“ legen puertoricanische Rhythmen zugrunde, zu denen schon im 19. Jahrhundert auf dem Congo Square in New Orleans die Sklaven feierten, und wissen dominikanische Rhythmen ebenso zu schätzen wie Mambo und Milonga aus Kuba. Die Trompeter beider Bands, Terell Stafford beziehungsweise Sean Jones, sowie der an beiden Abenden präsente Tenorsaxofonist Greg Tardy und der im Sextett hinzustoßende Altsaxofonist Vince Herring verwirklichen mit Bravour, was Wynton Marsalis einst zum Programm erhob: auf der Tradition des akustischen Jazz fußend etwas Neues, in der Gegenwart Angesiedeltes zu schaffen. Der Ahnvater der Wiedergeburt des akustischen Jazz lobt Elio Villafranca denn auch als „inspirierten, visionären Musiker“ und hat damit für den Bereich des akustischen Jazz völlig Recht.

Werner Stiefele, 06.09.2014

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