In seiner Schweizer Heimat gehört der knapp 35-jährige Tenorsaxofonist und Komponist Christoph Irniger zu den angesagtesten Musikern. Er ist ein ausgesprochener Teamplayer, dem der Gesamtausdruck der jeweiligen Ensembles, in denen er mitwirkt, wichtiger ist als das eigene solistische Interesse. Sein Quintett „Pilgrim“, mit dem er hier ausschließlich eigene Kompositionen realisiert, ist ihm dabei ein Herzensprojekt. Es ist eine Band, in der unterschiedliche Temperamente schillernde Farbkontraste kalkuliert erzeugen. Irniger spielt ein Tenorsaxofon, in dem Coltrane zwar gegenwärtig ist, aber eben nur als eine Schattierung eines umfassenderen Ausdrucksspektrums, zu dem durchaus auch warmtönende geschmeidige Lyrik gehört. Hochgeschwindigkeitsexkurse sind Irnigers Sache nicht, scheinbar aus der zweiten Reihe mischt er sich als vermeintlicher Farbergänzer, aber letztlich doch deutlicher Farbgeber in die Musik ein, in der die Mitspieler immer offen auf die jeweils sich ereignenden Impulse eingehen. Ein herrlicher musikalischer Tachismus entsteht so. Gitarrist Dave Gislar agiert schon mal mit kräftiger Jimi-Hendrix-Attacke, während Stefan Aeby am Klavier eher zum duftigen Pointillismus neigt. Raffaele Bossard am Kontrabass hält das Geschehen in mal enger, mal weitmaschiger Verzahnung mit den Schlagzeugklängen von Michi Stulz in rotierender Bewegung. Die Entladung der zirkulären Energie erinnert zuweilen an eine verzögerte Schaukelfahrt eines Riesenrades, um dann wieder eine zyklische Kettenreaktion ringförmig angeordneter Atome zu suggerieren. Offenheit und Spontaneität paaren sich zu spannungsvoller Stimmigkeit.
Thomas Fitterling, 20.09.2014
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