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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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In My Solitude – Live At Grace Cathedral

Branford Marsalis

Okeh/Sony 88875011652
(65 Min., 10/2012)

Konzerte in Kirchen haben ihre eigenen Gesetze, denn der Nachhall der weiten, hohen Räume wird zwangsläufig Teil der Musik. Er füllt die Pausen nach schnellen Läufen mit Klang – und wer hierauf reagiert und sich mit dem Neuansatz etwas mehr Zeit als in einem Konzertsaal lässt, kann die Faszination erhöhen. Branford Marsalis gewinnt bei seinem Solokonzert vom 5. Oktober 2012 in der Grace Cathedral in San Francisco zunehmend Freude am Nach- und Ausklingenlassen der Töne und beginnt diesen Effekt in seine Improvisationen einzubeziehen. Dabei unterscheidet er nicht, ob das Material aus Europa oder den USA stammt. So verneigt er sich zunächst mit einer dichten, kompakten Version von Steve Lacys „Who Needs It“ vor einem der bedeutendsten Sopransaxofonisten des Jazz – einem Europäer. Das hierauf folgende Tenorsaxofonsolo über Hoagy Carmichaels „Stardust“ bringt ihn und das Publikum in vertrautere Jazzgefilde zurück, die er jedoch mit „Improvisation No. 1“ und einer Tenorsaxofon-Version von Carl Philipp Emanuel Bachs Sonate für Oboe a-Moll wieder verlässt. Die Herkunftsgenres werden bei diesem Konzert gleichgültig. Entscheidend sind hingegen die Tragkraft der Melodien, die facettenreiche Klangstruktur der Töne und des Nachhalls. Dabei stören weder die aus der Außenwelt hereinwehenden Autohupen nach knapp zwei Minuten in der „Improvisation No. 2“, die etwa eine Minute vor dem Ende zu hörenden Gesprächsfetzen aus dem Publikum oder das Jaulen von Feuerwehrsirenen nach einer Minute in der „Improvisation No. 3“. Branford Marsalis schafft es, all diese in anderem Kontext störenden Faktoren aus dem hoch konzentrierten Auftritt auszublenden. Die Aufnahme lässt zudem ahnen, wie stark er an jenem Abend den Raum ins Klanggeschehen einbezog. Er entfernt sich vom Mikrofon, er scheint sich auf der Bühne zu bewegen, denn seine Position, sein Klang und der Echoanteil wandeln sich in einigen Stücken ständig. Besonders weit dringt er sich im „Blues For One“ in den Raum vor, als wolle er ihn verlassen, doch es nützt nichts: Der Applaus des Publikums holt ihn für die Zugabe „I’m So Glad We Had This Time Together“ nochmals ans Mikrofon zurück. Es muss ein schöner Abend in der Grace Cathedral in San Francisco gewesen sein, in der Duke Ellington am 16. September 1965 die Fernsehaufnahme seines “Concert Of Sacred Music” eingespielt hatte.

Werner Stiefele, 25.10.2014


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