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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Hamburg ‘72

Keith Jarrett, Charlie Haden, Paul Motian

ECM/Universal 4704256
(55 Min., 6/1972)

Diesmal nimmt uns ECM mit der „prima persona assoluta“ des Labels auf eine Zeitreise in die oft geschmähten 70er Jahre. Sie führt uns in eine herrlich frische und höchst vital musikantische Welt abgründiger Schönheit. 1972 war Keith Jarrett seit gut fünf Jahren dabei, mit dem Bassisten Charlie Haden, dessen kräftige Linien sich immer wieder zu melodischen Figurinen fügen, und Paul Motian, dem Meister der reduzierten Klangrhythmik am Schlagzeug, die Grammatik des modernen Klaviertriospiels zu erweitern, die das Bill Evans Trio einst mit Motian wesentlich definiert hatte. Im Juni gab das Jarrett-Trio beim NDR ein Konzert, das in voller Länge auch vom Fernsehen aufgezeichnet wurde. ARD plus hat es einst ausgestrahlt – glücklich, wer es damals auf Video bannen konnte. In Hamburg zeigten sich der 27-jährige Jarrett und seine Mitmusiker bei bester Spiellaune. Auch die damals üblichen spielerischen Accessoires waren dabei, so bediente der Pianist auch schon mal Tamburin, Fingercymbals, und Stielkastagnetten, und Paul Motian agierte mitunter mit Maracas und indischen Glöckchen. Alles andere als Accessoires allerdings waren Jarretts Sopransaxofon und Holzquerflöte. Auf der Flöte, mehr aber noch auf dem Sopran entwickelte Jarrett einen höchst überzeugenden Klang zwischen spröder Abstraktion und hymnischer Sanglichkeit. Zwischen diesen beiden Polen bewegte sich das Konzert insgesamt – quasi als ein hohes Lied der Interaktion, in die auch lange, hinreißende Solopiano-Exkurse integriert waren. Heute wirkt diese Musik wie die Apotheose einer Synthese von Starkstrom-Energie und harmonisch-melodischer Sensibilität. ECM veröffentlicht auf „Hamburg ‘72“ die zweite Konzerthälfte. Der Ablauf war stringenter als im ersten Set, die zusätzlichen perkussiven Momente fügten sich organischer in den musikalischen Fluss. Der wiederum gehorcht einem großartigen logischen Spannungsbogen, in dem sich virtuoser, schwelgerischer pianistischer Wohlklang, intensive Free-Music-Phasen, funkiger Übermut und bewegende Besinnlichkeit zum beglückenden Erlebnis ergänzen. Darf man auf eine DVD-Edition hoffen?

Thomas Fitterling, 13.12.2014


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