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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Alois Hába

Die Streichquartette

Hába-Quartett, Sigune von Osten

Neos/harmonia mundi NEOS 11001-
(281 Min., 2003 & 2006) 4 CDs

In der Musik gilt ähnliches wie in anderen Bereichen menschlicher Forschung: Eine neue Idee misst sich vor allem an ihren Folgen. Diese Logik hat dem Erfinder des Wankelmotors ebenso zugesetzt wie all den Technikfans, die in den 1980ern einem Wunder namens „Video 2000“ vertrauten. Der Mainstream zog nicht mit, damit war die Sache auch schon erledigt. Dem Tschechen Alois Hába schien ein ähnliches Schicksal beschieden: Als er in den frühen 1920er Jahren seine ersten mikrotonalen Werke vorstellte, war die Fachwelt zwar begeistert, doch durch die Tür, die Hába aufgestoßen hatte, wollte am Ende kaum jemand gehen. Bis zur unverhofften Renaissance in unseren Tagen blieb Mikrotonalität über Jahrzehnte eine Sache für Außenseiter, die entweder schnell auf der Strecke blieben oder nur in einem kleinen privaten Biotop überlebten. Hába war klug genug, zweigleisig zu fahren: Nur dort, wo er Chancen sah für eine Aufführung, experimentierte er weiter mit alternativen Tonsystemen, etwa auf dem Gebiet des Streichquartetts. Dort stand ihm von 1946 bis zu seinem Tod 1973 mit dem Hába-Quartett gewissermaßen ein Haus-Ensemble zur Verfügung. Unter dem Druck der kommunistischen Kulturpolitik musste es zwischenzeitlich seinen Namen ändern, wich schließlich aus in den Westen, und das Personal ist heute natürlich auch nicht mehr das alte – und doch bucht man die 2003 bis 2006 entstandene und nun erstmals auf CD erschienene Gesamteinspielung der Quartette mit diesem Ensemble gerne unter dem Stichwort „authentische Aufführungspraxis“.
Hat man sich einmal eingehört in die Viertel-, Fünftel- und Sechsteltöne, dann vermag man bald schon die Handschrift eines sehr eigenwilligen Komponisten zu entziffern, der eine vom Schönberg-Kreis abgeleitete Expressivität verbindet mit dem strikten Willen, Themen, motivische Arbeit und Wiederholungen zu vermeiden. Hábas Musik ist auch darin utopisch: Sie träumt von der Möglichkeit ständiger Selbsterneuerung. Es macht Spaß, ihr dabei zuzuhören – nicht zuletzt dank der dichten, sanglichen Interpretation des Hába-Quartetts.

Raoul Mörchen, 21.03.2015


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