Tyxart/Note 1 TXA 14047
(64 Min., 10/2014)
Im Jahre 2006 meldete sich ein bis dato unbekannter Sänger mit einer Schubert-CD zu Wort: Der Bariton Timothy Sharp nahm den Rezensenten mit seinem ersten Rezital stark für sich ein, denn er verfügte über eine „wunderbar weiche, angenehm dunkle und doch niemals künstlich abgedunkelte Stimme“, die er sehr gut unter Kontrolle hatte. Die frische, unverbrauchte, von jugendlichem Enthusiasmus befeuerte Herangehensweise an die wundervollen Gesänge tat ein Übriges.
Heute nun präsentiert derselbe Sänger ein höchst anspruchsvolles Strauss-Programm – was ist aus diesem Talent geworden, konnten mittlerweile alle Blütenträume reifen? Zahlreiche der auf dieser CD dargebotenen Lieder hat der Rezensent in unvergesslichen Interpretationen von Hermann Prey im Ohr: Der Vergleich drängt sich auf. Prey hatte eine Menge komödiantisches Talent, und seine Stimme war an guten Tagen ein einzigartig schönes Instrument mit großem Umfang, berückender Sonorität in der Tiefe und faszinierender Leichtigkeit in der Höhe, die sowohl kopfig wie auch mit vollem Metall beträchtlichen Reiz entfalten konnte – ideale Voraussetzungen also für die umtriebigen Melodielinien aus Richard Strauss‘ Feder, die mit einem durch und durch gut funktionierenden Stimmorgan rechnen.
Was Timothy Sharp vor diesem Hintergrund ebenfalls zu bieten hat, ist eine sonore Tiefe und Mittellage; nach wie vor greift er mit großer Selbstverständlichkeit auf ein edles Brustregister zu, dessen kräftige Fülle er bis in die obere Mittellage hinaufzuziehen versteht. Die irisierende Qualität einer gut gemischten höheren Lage, die im Schubert-Rezital begeistern konnte, finden wir auf dieser CD auch hier und da wieder – im „Traum durch die Dämmerung“ etwa, dessen lange, sehr flexibel auszugestaltende Phrasen jedem Sänger viel abverlangen. Andernorts indes ist eine gewisse Mattigkeit und Härte nicht zu überhören: Selbst in „Du, meines Herzens Krönelein“ könnte man noch mehr mit Voix-mixte-Effekten zaubern; auch in „Freundliche Vision“ sind gewisse Härten im Übergangsbereich nicht zu überhören. Und wo in der Höhe mehr Metall verlangt ist, tönt Sharps Stimme gelegentlich etwas müde. Zugegeben: ein hoher Maßstab angesichts einer so durch und durch offenherzigen, gestaltungseifrigen und sprachlich differenzierten Darbietung. Aber Strauss‘ Klavierlieder, so leicht sie zu genießen sind, bleiben für den Interpreten bis heute eine große Herausforderung.
Michael Wersin, 16.05.2015
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