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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Johann Sebastian Bach

Die französischen Suiten

Richard Egarr

harmonia mundi HMU 907583-84
(105 Min., 8/2015) 2 CDs



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Johann Sebastian Bach

Die französischen Suiten

Ekaterina Derzhavina

Profil/Naxos PH14034
(140 Min., 3 & 4/1996, 5/2014) 2 CDs



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Zwei Aufnahmen der sechs „Französischen Suiten“ von Bach, jeweils ergänzt um einige andere Klavierstücke des Meisters – zwei Aufnahmen, wie sie verschiedener kaum sein könnten. Dabei gibt es allerdings einen gemeinsamen Nenner, den vorausgeschickt zu haben eine nachfolgende vergleichende Betrachtung erst ermöglicht: Beide Künstler haben den Notentext der Suiten zutiefst verinnerlicht – so weit, dass die jeweilige Wiedergabe dieser Stücke weit über den gedruckten Notentext unverkennbar als ihre je ganz eigene betrachtet werden darf.
Ekaterina Derzhavinas Instrument ist der moderne Konzertflügel, und ihre Art zu artikulieren, zu phrasieren und auch variierend zu differenzieren ist ganz von diesem Instrument her gedacht. Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass ihr Umgang mit Bach deshalb ein wenig an denjenigen von Glenn Gould erinnert: Auch Derzhavina spielt sehr gern mit unterschiedlichen Anschlagsarten und den daraus folgenden verschiedenen Artikulationen, um etwa die Wiederholung eines Formteils von der vorausgegangenen Version abzusetzen. Gerne – und auch das erinnert an Gould – gewichtet sie dabei die Bassstimme beim zweiten Mal stärker, hebt somit ihre Bedeutung als Trägerin des musikalischen Satzes und seiner Harmonik hervor. Zudem bringt Derzhavina gern Verzierungen an; manche davon klingen überraschend „barock“, andere sind wohl einfach durch ihr eigenes Musikantentum inspiriert. In diesem Sinne ist ihre Darbietung keine „historisch informierte“, und das ist auch nur konsequent, weil sie ja auch kein historisches Instrument verwendet: Ihr Instrument ermöglicht und fordert andere interpretatorische Mittel als ein Cembalo; die oben genannten – vor allem das Hervorheben von Bassstimmen – gehören zu diesen Mitteln.
Richard Egarr musiziert auf seinem Joel Katzman-Cembalo von 2015 (dem Nachbau eines Couchet-Instruments) dagegen mit der vollen Kompetenz eines in der Alten Musik auch quellentechnisch zutiefst gebildeten Künstlers. Er schwärmt im Beihefttext von der Fülle erstaunlicher Verzierungen, die aus der Barockzeit überliefert sind, und er gibt den Hörern seiner Einspielung auch einen Eindruck davon, wie staunenswert allein das Spektrum dieser interpretatorischen Finessen ist. In einer Hinsicht unterscheidet sich sein Ansatz von demjenigen Derzhavinas grundlegend: Egarr bringt mit der leichten Inegalität auf rhythmischer Ebene ein hohes Maß an Flexibilität in einen Parameter der Musik, der bei Derzhavina keine solche Differenzierung erfährt; damit erlangt Bachs Musik eine Verspieltheit und teilweise auch Versponnenheit, die sehr reizvoll sind. In das dergestalt etwas freiere Gefüge des zeitlichen Verlaufs bringt Egarr auch seine Verzierungen sehr lebendig und kreativ ein: Manchmal scheinen sie Grund für, manchmal auch Folge von kleinen Dehnungen und Rubati zu sein. Hinzu kommt das ebenfalls bei Derzhavina keine Rolle spielende Element des Nacheinander-Anschlagens verschiedener Stimmen, mit dem man auf dem Cembalo u.a. die Eigenständigkeit verschiedener Linien im polyphonen Satz unterstreichen kann, wofür der moderne Flügel ja die Möglichkeit verschiedener Anschlagsstärken bietet. Wieder ein Aspekt, der stark von der Wahl des Instrumentes konditioniert ist.
Insgesamt kann der Autor dieser Zeilen guten Gewissens eigentlich beide Versionen empfehlen, gerade weil sie so unterschiedlich sind: Sie führen gemeinsam zurück zu Bach und werfen je ein eigenes Licht auf die gewaltige Größe seiner Musik, deren Substanz verschiedenste Verwirklichungen so gut verträgt wie kaum eine andere. Eine Binsenweisheit, gewiss – aber darum nicht verkehrt.

Michael Wersin, 14.05.2016




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