Mit 27 ist die Altsaxofonistin und Komponistin Anna-Lena Schnabel aus Niedersachsen kein ganz unbeschriebenes Blatt. In Hamburg hat sie studiert und in der Elite-Kaderschmiede des deutschen Jazz, dem Bundesjazzorchester, war sie Mitglied. Mehrere Preise und Stipendien hat sie gewonnen, wovon eines sie an die New York Collective School gebracht hat. Mit dem deutschen Pianisten Florian Weber, der im Big Apple bestens vernetzt ist, ergab sich früh ein Lehrer-Studentinnen-Verhältnis. Das hat sich längst zu einer Freundschaft auf Augenhöhe entwickelt. Mit Weber und dessen amerikanischem Biosphere-Trio, also mit Thomas Morgan am Kontrabass und Dan Weiss am Schlagzeug, hat sie nun in New York ihr Debüt-Album als Bandleaderin aufgenommen. Schnabel ist eine willensstarke Frau und hat genaue Vorstellungen von ihrer Musik. Ihr Einstand ist also alles andere als eine selbstgefällige Präsentation eines Kükens durch Altmeister-Routiniers. Sie kennt ihren Charlie Parker genau, weiß alles über ältere Formen des Jazz und hat Ornette Coleman, Oliver Lake und aktuelle Altisten ebenfalls verinnerlicht. Dies Wissen hat sie in eine ganz eigene und völlig natürliche Sprache auf dem Instrument gegossen. Ihr Ton hat immer etwas von einer leicht aufgerauten Konitzschen Eleganz und ist doch ungeheuer variabel, passt sich genau der jeweiligen Komposition an. Bis auf die bewegend vorgetragene Ballade „Peace“ von Horace Silver stammen alle Titel der programmatischen Abfolge von Schnabel selber. Neo-boppend geht es los, dann thematisiert die Musik immer mehr Raum und Zeit. Schnabel überzeugte ihren Pianisten, einfache Gegenstände wie Flaschen, Bücher, Bambusstäbe u.ä. zur Präparation des Flügels zu benutzen. Diese Klangmanipulationen fügen sich mit einer Selbstverständlichkeit bar jeder Effekthascherei in die musikalischen Abläufe gleichberechtigter Partner. Ein fulminantes und gleichzeitig besinnliches Debüt ist der jungen Frau da gelungen.

Thomas Fitterling, 23.07.2016

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