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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Musical Monsters

Don Cherry, John Tchicai, Irène Schweizer, Léon Francioli, Pierre Favre

Intakt/harmonia mundi INT269
(59 Min., 8/1980)

Unbescheiden war die Ankündigung dieses All-Star-Quartetts zum Jazzfestival Willisau 1980 als „Musical Monsters“ nicht. Der Auftritt des Trompeters Don Cherry, der immer etwas von der Unbekümmertheit eines Kleinen Prinzen des Jazz hatte, war ungewiss, und so entschied sich das Festival für eine anonyme Bandbezeichnung. Doch Cherry kam; sogar eine entspannte Verständnisprobe war möglich. Er traf auf eine Wunschformation und freute sich besonders auf den Altsaxofonisten John Tchicai. Anderthalb Jahrzehnte zuvor waren sie Teil der afro-amerikanischen Free-Jazz-Revolution gewesen, Cherry als Partner von Ornette Coleman, dem großen abstrakten Melodiker, und Tchicai als Altstimme an der Seite der energetischen Hymniker Archie Shepp und John Coltrane. Pioniere der freien Musik in der Schweiz vervollständigten die Band, die Pianistin Irène Schweizer, der Kontrabassist Léon Francioli und der Schlagzeuger Pierre Favre. Alle vier also waren wahrlich „Musical Monsters“ des Free Jazz, nicht der teutonischen Powerplay-Fraktion mit Melodie-Tabu und Kaputtspiel-Tendenz, sondern einer Spielart, die gerne mit Motiven jonglierte, die im Falle von Don Cherry auch von schlichter Sangbarkeit sein durften. Tchicai verband den Angang eines Ornette Coleman mit der spirituellen Geste und dem virilen Ton eines John Coltrane und blieb doch selbstironisch geerdet. In Kollektiven, Trios, Duos und unbegleiteten Soli vollzog sich eine durchgehend spannende Musik der respektvollen Interaktion. Tutti gespielte Motive dienten als Scharniere für abwechslungsreiche Explorationen. Irène Schweizer am etwas stimmungsschwachen Flügel sorgte mit perkussiven Aktionen, die sich nie in Tongirlanden verloren, für heimliche Orientierung, und Pierre Favre unterfütterte das Geschehen mal mit feinsinnigen Patterns, Swingreminiszenzen und mal mit energetischem Pulsieren. Léon Francioli gab der Achse Schweizer-Favre die adäquate Tiefendimension und verankerte dabei die Bläser. Free Music, die sich im Nachhinein so stimmig und logisch erweist, ist äußerst selten. Hier wurde ein Schatz gehoben, der erst in der Gegenwart so richtig seinen Glanz preisgibt.

Thomas Fitterling, 20.08.2016


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