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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Johannes Brahms, Alban Berg

Klavierwerke

Vincent Larderet

Ars Produktion/Note 1 Ars38217
(65 Min., 7/2016) SACD

Die Gattung „Sonate“ war im 19. Jahrhundert keineswegs gestorben, aber es galt, sie mit neuen Inhalten zu füllen, hatte doch besonders Beethoven scheinbar schon alles gesagt, was sich innerhalb dieser Form zum Ausdruck bringen ließ. Und so wartete selbst Johannes Brahms, den die „Neudeutschen“ ja hinsichtlich seiner klassizistischen Ausrichtung unverhohlen als ewiggestrig beschimpften, mit einem erweiterten Konzept auf: Fünf Sätze hat seine f-Moll-Sonate op. 5 von 1853, an vorletzter Stelle sogar ein „Intermezzo“ – womit sich der Typus des „romantischen Klavierstücks“ in den traditionell drei- bis viersätzigen Verlauf einschleicht.
Neu war im 19. Jahrhundert auch der Ansatz, eine „komplette“ Sonate in einen einzigen Satz zu packen – Franz Liszt erprobte dies auf spektakuläre Weise, so mancher folgte ihm. Auch Alban Berg produzierte 1892, noch in hoch- oder spätromantischer Tonsprache, einen solchen singulären Sonatensatz; allerdings musste ihn wohl erst sein Lehrer Schönberg davon überzeugen, dass nicht unbedingt weitere Sätze hinzugefügt werden müssten und in dem einen Satz vielleicht schon alles gesagt sei.
Beide Sonaten gehören nicht gerade zum Mainstream-Repertoire. Bei Brahms denkt man an Julius Katchens wuchtige Darbietungen auch der Frühwerke des kantigen Einsamen, bei Berg fällt einem Glenn Goulds der Polyphonie großartig gerecht werdende Aufnahme ein. Vincent Larderet hat sich nun beider Werke für eine CD angenommen, und sein eigener Beihefttext zeigt, dass er sich eine Menge Gedanken um die Hintergründe dieses Programms gemacht hat. Die intensive geistige Durchdringung der Materie wird in seinem Spiel durchaus auch hörbar. Geprägt ist es zunächst von erstklassiger Beherrschung der Substanz in technischer Hinsicht: Der junge Tastenlöwe Brahms hat es der Nachwelt zweifellos nicht ganz leicht gemacht, ebensowenig wie der Polyphonie-Fanatiker Berg, der seine komplexen Ideen nicht unbedingt in einen bequemen Klaviersatz zu gießen verstanden hat. Larderet vermag zudem eine Menge Plastizität in die Satzstruktur zu bringen: Wer tiefer in die Stücke einsteigen will, dem liefert Larderet einen Höreindruck von so bemerkenswerter Klarheit, dass er einen analytischen Zugang zur Materie passagenweise fast ohne Notentext in der Hand ermöglicht. Dafür ist er allerdings auch nicht unbedingt der größte aller Lyriker am Klavier: Die langsamen Sätze der Brahms-Sonate sind ohne Zweifel schon poetischer gespielt worden. Aber sei’s drum – unterm Strich überwiegt bei weitem der positive Eindruck.

Michael Wersin, 26.11.2016


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