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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Franz Schubert, Joseph Haydn

Streichquartett Nr. 15, Streichquartett op. 20/III

Tetzlaff Quartett

Ondine/Naxos ODE12932
(76 Min., 9/2015)

Bereits in den Eröffnungstakten knirscht es mit voller Wucht an allen Ecken und Enden. Bei den unvermittelt hineingleitenden, ultrafeinen Gesängen weiß man nicht, ob sie geradewegs vom Himmel oder doch aus dem Abgrund kommen. Und dann diese hineinbrechende Hymnik, die einem wie das laute Rufen im Walde vorkommt, mit dem man die bösen Seelengeister vertreiben möchte. Nach noch nicht einmal zwei Minuten laufen beim Tetzlaff Quartett die Erosionsprozesse auf Hochtouren, mit denen Schubert dem Leben den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Die Suche nach Auswegen, Erlösung – zwecklos. Stattdessen dreht das Tetzlaff Quartett die Tragödienschraube langsam fester und fester. Und auch wenn manchmal das Resolute mit einer Schärfe hereinbricht, die vielleicht doch etwas zu kalkuliert wirkt, steckt einem da schon lange das Schicksalhafte und Existenzbedrohliche dieser Musik in den Knochen. Nun gibt es durchaus vergleichbare Aufnahmen, in denen das Konfliktpotenzial von Schuberts riesigem G-Dur-Streichquartett bis aufs Äußerste herausgekitzelt worden ist. Aber das Tetzlaff Quartett schafft es tatsächlich, gleich noch für möglicherweise ein und denselben Leidensschrei unterschiedlichste Ausdrucksnuancen abzurufen und hochvirtuos mit großartiger transparenter Beweglichkeit einzusetzen. Wobei einem dann eine nur scheinbar kleine, zarte Flageolett-Geste ähnlich in die Glieder fährt wie das brutalste Tutti. Nach diesem Drama in vier Akten kann man erst einmal tief durchatmen. Könnte man auch direkt beim Eröffnungssatz vom halb so lange dauernden Streichquartett g-Moll op. 20/III von Joseph Haydn meinen. Aber im nachfolgenden Menuetto sowie im Finalsatz gibt das Tetzlaff Quartett dem Kühnen und auch Zweifelnden entsprechende Kontur – bevor man im „Poco adagio“ wie selbstverständlich in eine seligmachende Musik eintaucht, die Haydn mit scheinbar einfachsten Mitteln geschrieben hat.

Guido Fischer, 06.05.2017


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