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Es gibt sicherlich Glamouröseres, als in der Berliner S-Bahn Musik zu machen. Die Menschen, die das tun, werden von den Mitreisenden für gewöhnlich mit einer Mischung aus müder Sympathie, leichter Genervtheit und ein paar Mitleids- Cents abgespeist. Sagen wir es vor diesem Hintergrund mal so: Jessica Gall hat es eigentlich nicht nötig, als Musikantin im öffentlichen Nahverkehr für eine Hand voll Kleingeld zu spielen. Schließlich verfügt die 27-jährige Sängerin über etwas, von dem der normale Berliner Abteilbeschaller nur träumen kann – einen Plattenvertrag bei einem Majorlabel. Aber sie tat es trotzdem – gemeinsam mit ihrem Gitarristen Jo Ambros, hin und zurück auf der Strecke zwischen Alexanderplatz und Friedrichstraße. Dokumentiert wurde die ungewöhnliche Werbemaßnahme für ihr Debütalbum »Just Like You« von einem Freund mit Handkamera. Das filmische Ergebnis soll den Youtube- Nutzern zeigen, dass Jessica Gall keine von diesen unzähligen verhaltensunauffälligen Jazzpopsängerinnen ist, die seit einiger Zeit den Markt überschwemmen. Sondern die Extreme liebt.
Ein Blick auf die Biografie der in einer Ostberliner Musikerfamilie geborenen Vokalistin beweist das eindrucksvoll. Mit 18 schmiss sie kurz vorm Abi die Schule, um sich ganz auf die Musik konzentrieren zu können. Sie studierte zur anfänglichen Enttäuschung ihres Hochschulleiters Jiggs Whigham an der Hanns-Eisler-Schule Gesang, obwohl der sie eigentlich in jungen Jahren als talentierte Saxofonistin entdeckt hatte. Für die Finanzierung ihrer ersten Studio-Aufnahmen verkaufte sie schließlich kurzerhand ihr Auto. »Dummerweise hat das die Kosten nicht ganz gedeckt«, lacht Gall. Die schmerzhafte Investition hat sich jedoch voll gelohnt. Die Aufnahmen erscheinen nun im Albumformat und zeigen die Vielfalt von Galls Ausdrucksmöglichkeiten. Die Songs, die sie gemeinsam mit ihrem Pianisten und langjährigen Duo-Komplizen Bene Aperdannier geschrieben hat, beweisen ein Gespür für angenehmen Erwachsenen-Pop. Wohingegen die Cover-Versionen auf der CD für einige handfeste Überraschungen sorgen.
Es liegt wohl auch daran, dass die Mutter einer kleinen Tochter schon reichlich Erfahrungen im Musikgeschäft sammeln konnte. Bereits mit 18 begleitete sie als einziges weißes Mitglied eines Gospel-Chors Stars wie David Knopfler oder Phil Collins. Kurze Zeit später tourte sie für ein Jahr als Backgroundsängerin von Sarah Connor durch die Lande. »Für einen Herzblutsänger ist das nix«, musste Gall feststellen, »da ist das Make-Up wichtiger als die Musik. Es war aber gut, das mal mitzumachen, um zu wissen, was ich auf keinen Fall will.« Was sie will, das kann man auf ihrem Debüt hören. Sorgen muss man sich um Jessica Gall nicht machen – das Schicksal, sich als Straßenbahnmusikerin durchs Leben schlagen zu müssen, sollte ihr bei so einer CD erspart bleiben.
Sony
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