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N° 1353
13. - 24.04.2024

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am 20.04.2024



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Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Wenige Tage nachdem David Garrett bei einem Gespräch in Berlin darüber gemeckert hatte, wie teuer die jährliche Versicherung für seine Geige sei (etwa 20.000 Euro), stürzte der deutsch-amerikanische Geiger bei einem Konzert im Londoner Barbican Center und zertrümmerte sein Instrument. Anders als in der Tagespresse gemeldet, betraf dies zwar nicht seine Stradivari »San Lorenzo« aus dem Jahr 1718, in Wirklichkeit ging ein anderes Instrument aus dem 18. Jahrhundert (vom Cremoneser Geigenbaumeister Guadagnini) zu Bruch. Das Ersatzinstrument, das ihm jetzt zur Verfügung gestellt wurde, wird von drei Sicherheitskräften bewacht. Bei dem Londoner Konzert hatte Garrett ausgerechnet das Violinkonzert von Max Bruch gespielt.
Startenor Rolando Villazón will nach seiner fünfmonatigen Zwangspause wieder voll ins Operngeschäft einsteigen. »Ich habe entdeckt, dass ich verletzbar bin«, erzählte er rückblickend. Die Auszeit wurde notwendig, nachdem, wie Villazón meinte, die Stimme morgens noch funktioniert hätte, mittags aber nicht mehr. Künftig will er statt wie bisher 80 nur noch bis zu 60 Auftritte pro Jahr absolvieren. »Ich will schreien und brennen. Das ist es.« Seine Auftritte in Wien und Berlin verliefen derweil nicht ganz so berauschend. Unsichere Mittellage, fingierte Spitzentöne und eine wie verschleiert wirkende Stimme (ohne dynamische Reserven) lassen eine tiefgreifendere Stimmkrise befürchten als Villazón sich selber glauben machen will. Sein neues Album »Cielo e mar« entstand vor dem Zusammenbruch.
Anna Netrebko pausiert wegen ihrer Schwangerschaft bis Januar 2009. Ihr letzter Auftritt wird das Open-Air-Konzert zur Fußball-Europameisterschaft Ende Juni in Wien-Schönbrunn sein. Auch Juan Diego Flórez musste (bis Ende März) pausieren, um die Folgen einer verschluckten Fischgräte zu kurieren.
Der greise Bayreuther Festspielchef Wolfgang Wagner ist immer noch für überraschende Schachzüge gut. Mit der Gründung der Bayreuther Festspiele Medien GmbH bringt er nicht nur lahmende Nebeneinnahmen (aus Konzerten, Gastspielen, CDs und DVDs) wieder auf Trab. Mit der (gleichberechtigt neben ihm firmierenden) Geschäftsführerin, seiner Tochter Katharina Wagner, verankert er außerdem seine Wunschnachfolgerin geschickt im Dickicht der Bayreuther Festspielorganisation.
Einen Vorstoß gegen so genannte »Popera«-Sänger (wie Hayley Westenra, Charlotte Church und Katherine Jenkins) hat Altdiva Kiri Te Kanawa in Neuseeland unternommen. »They are all fake singers«, sagte sie und griff damit eine neue Generation von Crossover-Sängern an, die klassisches Repertoire mit Mikrofon singen. Schon im letzten Jahr hatte sie es abgelehnt, im selben Konzert wie John »The Voice« Farnham aufzutreten – angeblich, weil Fans des australischen Rocksängers während seiner Auftritte Unterwäsche auf die Bühne zu werfen pflegen.
Improvisationstalent Gabriela Montero hat ein Rezept, wie man trotz kleiner Hände eine große Pianistenkarriere macht. »Ich lasse Töne aus«, gab sie bei einem Gespräch in Düsseldorf freimütig zu. (Respekt vor so viel Ehrlichkeit!) Technische Kamikaze-Übungen wie Schumanns »Toccata« müsse sie sich – ähnlich wie Kollegin Angela Hewitt – grundsätzlich versagen. Ansonsten aber, vor allem bei Akkorden, könne man durchaus ein bisschen schummeln.
Sopranistin Jessye Norman verrät nicht, wie viele begehbare Kleiderschränke sie besitzt. »Das sage ich lieber nicht, das ist mir zu peinlich«, antwortete sie in London auf eine entsprechende Frage. Ebenso wie ihr Vorbild Rosa Ponselle habe sie indes die Bedeutung gut gelüfteter Garderoben zu schätzen gelernt. »Wir Sänger üben einen Beruf aus, in dem wir ständig im Scheinwerferlicht schwitzen und durch schwere Kostüme beengt sind, während andere uns dabei beobachten.« Bislang gesperrte Aufnahmen von Haydns »Berenice« und Brittens »Phaedra« will die als hyperkritisch geltende Sängerin demnächst doch noch freigeben. Noch immer vergeblich träumt sie davon, die Marschallin in Richard Strauss’ »Rosenkavalier« zu singen.

Robert Fraunholzer, 14.06.2014, RONDO Ausgabe 2 / 2008



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