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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Plácido Domingos Zukunft ist gesichert. In diesem Jahr entert der Tenor/ Maestro/Intendant in einer neuen Rolle das Fernsehen – als Comicfigur bei den »Simpsons«. Die Episode dreht sich um Homers Wechsel ins Opernfach. Domingo tritt als er selbst auf. Gern erinnern sich ältere Fans an frühere TV-Auftritte Domingos – etwa an sein Duett mit Miss Piggy in der Muppet Show und die Sesamstraßenfigur »Plácido Flamingo«.
Auch Wolfgang Wagners Ruhm ist gewiss. Und zwar auf einem Gebiet, auf dem es kaum jemand erwartet hätte – als Regisseur. In Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, feiert seine Inszenierung des »Parsifal«, die 2001 in Bayreuth (nach 65 Aufführungen) abgesetzt wurde, ihre Auferstehung. Die Südkoreaner haben die Aufführung eingekauft, müssen aber, da die Dekorationen längst weggeschmissen waren, alles neu bauen. Als verantwortliche Spielleiterin fungiert: Katharina Wagner. Einen eigenen »Parsifal« hatte sie zuvor abgelehnt. »Ich glaube nicht, dass meine Art des Inszenierens wirklich in diesen Kulturkreis gepasst hätte.«
Cellist Gavriel Lipkind (30), der mit einer Aufnahme von Bachs Cellosuiten für Aufsehen sorgte, hält sich für inkompatibel mit den großen Labels. »Ich bin kein Superstar. Also bin ich nach heutigen Maßstäben ein Problem«, sagte er am Rande des Musikfests Bremen. Die großen Firmen wollten zu viele CDs verkaufen und nähmen den Schaden ihrer Künstler in Kauf. »Ein Freund von mir, der Pianist Nikolai Tokarew, wird als Teenieschwarm vermarktet, obwohl das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.« Lipkind, der als Gegner der historischen Aufführungspraxis gilt und am Cello die (von anderen verachteten) »Wolfstöne« liebt, hatte sich bis vor Kurzem eine sechsjährige (!) Karrierepause verordnet. Der in Bad Homburg lebende Musiker erklärte: »Meine CDs habe ich weiter vorausgeplant, als ich leben werde.«
Der Wiener Staatsoperndirektor Ioan Holender ist vom Wiener Landesgericht freigesprochen worden. Holender hatte einem Lehrer seines 13-jährigen Sohnes wutentbrannt gedroht, sich im Ministerium für seine Entlassung einzusetzen. Grund: Der Lehrer hatte Holenders Sohn dabei ertappt, sich vor einem Auftritt im Musikverein (mit dem Schulchor) gedrückt zu haben. Holender stellte die Beschuldigungen nicht in Abrede. Er tat arglos. »In Österreich ist man geneigt zu überschätzen, welche Positionen Menschen haben.« Holender muss es wissen.
Hat es in Prag die Klassik schwer? Nicht nur laufen der Tschechischen Philharmonie reihenweise die Chefdirigenten davon (nach Gerd Albrecht und Vladimir Ashkenazy nun auch Zdeneˇk Mácal). Die Pianistin Hélène Grimaud lehnte es in Prag ab, bei einem Gastspiel der Staatskapelle Dresden den »völlig unspielbaren« Flügel zu benutzen. Daraufhin wurde sie (nach Darstellung des Orchesters) von Festivalleiter Pavel Spiroch in betrunkenem Zustand bedroht und mit den Worten »Go home!« bedacht. Schadenersatzforderungen richten sich nun nach Dresden. Das Konzert wurde abgesagt.
Mysterien einer Dirigentendynastie: Kristjan Järvi, Bruder von Paavo Järvi, ruft fast täglich bei diesem an, um sich mit ihm zu beraten. (»Sie sollten mal meine Telefonrechnung sehen!«) Der Sohn des Dirigenten Neeme Järvi gab in einem Interview indes Leonard Bernstein als stärkstes Vorbild an. »Vielleicht ist er auch mit Schuld daran, dass ich beim Dirigieren mehr Bewegungen mache als nötig.« Es sei im Dirigentenberuf leicht, zu mogeln. »Sie können sich durch ein bekanntes Stück durchwinken, und vielleicht merkt das nicht einmal das Orchester.« Ein Kriterium, an dem man schlechte Dirigenten erkenne, sei es, dass die Orchester sie nicht ansehen. »Obwohl ich einschränkend hinzufüge«, so Järvi, »dass es auch sehr gute Orchester gibt, die grundsätzlich nicht schauen.«
Der Dirigent und Cembalist Gustav Leonhardt (79) hört es nicht gerne, als »einer der Gründerväter der Alte-Musik-Bewegung« bezeichnet zu werden. »Es waren in Wirklichkeit viel mehr dabei.« Auch die Spielkultur sei in den 50er und frühen 60er Jahren »noch sehr dürftig« gewesen: intonationsmäßig unrein und voll falscher Ornamente. »Triller fing man immer mit dem oberen Ton an. Fürchterlich!« Mit der Einspielung sämtlicher Bachkantaten gemeinsam mit Nikolaus Harnoncourt sei er aber noch einverstanden. Auf die Frage, ob er sich mit Harnoncourt immer einig gewesen sei, meinte er: »Wieso einig? Wir hatten doch kaum Kontakt. Wir haben nur manchmal telefoniert, um die Kantaten untereinander aufzuteilen.«
Geigerin Patricia Kopatchinskaja (30), die am liebsten barfuß auftritt und als »junge Wilde« der Klassik tituliert wird, hat sich befriedigt über ihr Image geäußert: »Wenn die anderen die Hausschweine sind, dann bin ich die Wildsau. Ungekämmt und eher schmutzig. « Natürlich käme sie mit mangelnder Sauberkeit in Wirklichkeit auf der Bühne nicht durch. Aber sie sei überzeugt: »Beethoven hat auch gestunken. Seine Zeit war nicht so hygienisch wie unsere. Und ich glaube auch nicht, dass das damals jemanden störte.«

Robert Fraunholzer, 12.07.2014, RONDO Ausgabe 5 / 2007



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