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»Sollen wir die Abkürzung nehmen? Es wird manchmal geschossen!«, sagt der Taxifahrer und biegt ab. Die Fahrbahn ist grell erleuchtet. Wie bei einem Grenzkorridor – kein Zweifel, schon die Anfahrt zum Jerusalem Chamber Music Festival, das Elena Bashkirova seit 1998 leitet, lässt über die Brenzligkeit seines Ortes keinen Zweifel. Im YMCA vis à vis vom berühmten »King David Hotel«, von der Anmutung her eine Aula, finden allsommerlich edle und umso erfrischendere Kammerkonzerte statt – einige der wenigen friedlichen Inseln in der von Konflikten durchzuckten heiligen Stadt.
Jetzt kommt ein Ableger jenes Festivals, das regelmäßig von Gidon Kremer, Emmanuel Pahud und Brigitte Engerer besucht wird, erstmals nach Berlin – ins Jüdische Museum. Es war eine Anregung von Michael Blumenthal. Das berühmte Gebäude von Daniel Libeskind ist einer der größten Touristenmagnete Berlins. Und doch mit Veranstaltungen nicht überreich gesegnet. Die große Kammermusik-Invasion belebt eine in Berlin noch nicht perfekt integrierte Touristenbastion.
»Berlin hat alles? Von wegen!«, sagt auch Elena Bashkirova und hat Recht. Kammermusik spielt wegen der Säle in Berlin eine zu geringe Rolle. Mit dem oberen Saal, vor allem aber mit dem Glashof des Jüdischen Museums werden für Berlin Säle hinzu erobert – und Repertoire erschlossen, für das man bisher verreisen musste. Mozart, Brahms, Schumann und Mendelssohn werden im ersten Jahr jeweils mit Schönberg konfrontiert. In Gestalt von Matan Porats Auftrags-»Requiem« eröffnet man gleich am ersten Abend mit einer Uraufführung.
Ein »Club Sandwich Prinzip« nennt Elena Bashkirova ihre Methode. Nichts allzu Buntes. Oder wie Bashkirova auf dem Sofa ihres Heims in Berlin- Dahlem schlicht sagt: »Burger interessieren uns nicht.« Das geheime Thema des Berliner Festival- Geschwisters lautet ohnehin: »Wir«. Es solle ein Porträt des Jerusalem Festivals in Berlin sein, mit den großen, bekannten Namen, die auch in Berlin ziehen: Dorothea Röschmann, Guy Braunstein, Carolin Widman, Michael Barenboim, Marie-Elisabeth Hecker, Nicolas Altstaedt – und natürlich Mama Bashkirova selbst.
Man muss erlebt haben, wie abgehende Künstler in Jerusalem Kusshände werfen und zur Seitenbühne zwinkern, wo Elena Bashkirova über Wohl und Wohlfühlen ihrer Gäste wacht. Natürlich ist auch Daniel Barenboim in Berlin mit von der Partie. Er dirigiert zum Abschluss »Pierrot Lunaire« (mit Hila Baggio) und begleitet Bruchs »Kol Nidrei« am Klavier. Das Festival habe die Beziehung zu ihrem Ehemann auf eine ganz neue Basis gestellt. »Daniel unterstützt mich als Freund!«, so Bashkirova. Auch dem Missstand, dass sie in Berlin als Pianistin bislang kaum vorkam, wird durch das Festival abgeholfen. »Ich müsste besser sein als Martha Argerich ...!«, so begründete Bashkirova früher immer den Umstand, dass sie mit Barenboim in Berlin und noch dazu auf ihrem ureigensten Felde, dem Klavier, nicht konkurrieren wollte. Jetzt muss sie aber. »In meinem eigenen Garten«, so Bashkirova über ihr schön begrüntes, herrlich blühendes Festival. Willkommen zuhause!
Robert Fraunholzer, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 2 / 2012
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