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(c) Jean-François Leclercq/ECM Records
Myung-whun Chung ist seit langem einer der Großen der Dirigentenszene, zur Zeit ist er Chefdirigent des Orchestre Philharmonique de Radio France, des Seoul Philharmonic Orchestra und Erster Gastdirigent der Staatskapelle Dresden. Begonnen aber hat er als Pianist, 1974 errang er beim Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau sogar den zweiten Platz (hinter Andrei Gawrilow und vor András Schiff). Doch erst jetzt ist Chungs Debüt-CD als Pianist erschienen – mit ungewöhnlichem Repertoire.
RONDO: Herr Chung, im Internet werden Sie charakterisiert als koreanisch- amerikanischer Dirigent und Pianist. Sind Sie damit einverstanden?
Myung-whun Chung: Auch wenn ich als Jugendlicher mit meinen Eltern in die USA gekommen bin und dort studiert habe – ich bin kein Amerikaner. Ich lebe seit über 30 Jahren in Europa, in Italien und in Frankreich. Ich bin oft in Seoul, aber unser Haupthaus ist in der Provence. Und Pianist bin ich schon seit 30 Jahren nicht mehr.
RONDO: Wie ist es dazu gekommen, dass Sie nun eine CD als Pianist aufgenommen haben?
Chung: Mein zweiter Sohn ist Produzent bei ECM in München. Er hatte die schöne Idee, ich sollte eine Aufnahme für meine Enkel machen. Ich wurde in eine musikalische Familie mit sieben Kindern hineingeboren und hatte das Glück, die Nummer sechs zu sein. Ich sage immer: Ich bin nicht nur umgeben von Musik, seit ich auf der Welt bin, ich habe schon neun Monate vorher dauernd Musik gehört. Musik ist eine Sprache, und man muss sie so früh wie möglich hören, nur dann wird sie zu etwas Selbstverständlichem. Für die CD habe ich Stücke ausgewählt, die entweder leicht für Kinder wiederzuerkennen sind wie Mozarts „Ah! vous dirai-je, Maman“, das man hierzulande als „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ kennt, oder die mit wichtigen Momenten meines Lebens verbunden sind. Und „Clair de lune“ von Debussy habe ich gewählt, weil die Tochter meines zweiten Sohnes Lua heißt, das ist Portugiesisch für Mond. Ich wäre glücklich, wenn die CD vor allem von Kindern gehört würde.
RONDO: Sie spielen sehr leicht und perlend. Mussten Sie viel üben?
Chung: Das Klavier ist immer in meiner Nähe. Ich übe nicht mehr wie ein Pianist, aber mit dem Instrument habe ich mein ganzes Leben verbracht. Das Klavier ist mein Freund, mein lebenslanger Freund. So einen braucht jeder Musiker. Der Dirigent ist der einzige Musiker, der keinen Klang erzeugt. Das ist sehr unbefriedigend.
RONDO: Warum haben Sie aufgehört als Pianist?
Chung: Das war eine sehr schwere, langwierige Entscheidung. Ich bin eine Art Anti-Dirigent, es gibt viele Aspekte beim Dirigieren, die ich nicht mag. Ich bin ein verschlossener Mensch. Als Pianist war das Klavier mein Begleiter, aber im Orchester bist du dauernd von hundert Personen umgeben. Und anders als in der Kammermusik, die ein Dialog unter Gleichberechtigten ist, ist die Zusammenarbeit oft mit gewissen Spannungen verbunden. Anfangs dachte ich, wie soll ich das aushalten. Der einzige Grund, warum es mich zum Dirigieren zog, war die Musik. Man kann eine Mahler-Sinfonie oder einen Bruckner nicht auf dem Klavier spielen. Das war das Dilemma. Es gibt Menschen, die können Dirigent und Pianist sein. Ich dagegen konzentriere meine Energie immer auf eine Sache, ich wusste, ich musste mich irgendwann entscheiden. Ich habe ungefähr zehn Jahre lang dirigiert, bis ich mich wirklich entschieden hatte fürs Dirigieren. Zum Glück hatte ich sehr früh angefangen und war da immer noch relativ jung. Aber es war schwer.
RONDO: War es eine gute Entscheidung?
Chung: Wenn Sie mich fragen, was ich mehr liebe, das Dirigieren oder das Klavierspielen, würde ich sagen: das Klavierspielen. Das ist immer noch meine große Liebe.
Arnt Cobbers, 13.09.2014, RONDO Ausgabe 4 / 2014
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