Zentrales Instrument der arabischen Musik ist die Oud, eine Laute mit kurzem Knickhals. Ob als Soloinstrument oder im Ensemble, ob zur Begleitung von Vokalisten oder in jeder Form des Musikunterrichts (auch dem anderer Instrumente), die Oud ist allgegenwärtig. Doch der arabische Raum ist groß, reicht vom Westen Nordafrikas bis zur Grenze nach Persien. Ebenso wie man dort überall Arabisch spricht, wird allenthalben Oud gespielt, doch eben anders: mit regionalem Akzent und in der persönlichen Diktion großer Oudmeister, die ja nicht nur Virtuosen im Sinne westlicher Interpreten sind, sondern zugleich Schöpfer von Improvisationen, in denen sie Traditionen folgend oder von ihnen abweichend, auf Grundlage überkommener Modi und Rhythmen zu immer wieder neu erfühlter und erfüllter Form finden. Was liegt näher, als solche Oudspieler aller Sultane, Könige und Präsidenten zu einem Gipfel zusammenzuführen? Doch erst vom 29. bis 1. Dezember 2005 fand das erste Treffen dieser Art statt: das „Muscat Oud Festival“ im Sultanat Oman am Golf. „Al Tarab“ (Enja ENJ-9504 2), eine prachtvoll ausgestatte Box (4 CDs und ein 230- seitiges, viersprachiges Buch) zeugt davon und lädt uns zum verzückten Erlauschen ein, was die Oud in den Händen großer Meister sein kann. Zwar sind die beteiligten Musiker (die einen längst gefeierte Oud-Institutionen, die anderen Newcomer oder bekannte Musiker anderer Sparten, deren Oudkönnen eher im Verborgenen blühte) allesamt Virtuosen mit staunenswerten Fingerfertigkeiten, doch darum geht es nur am Rande. Wichtig ist es „al tarab“ zu erzeugen, musikalische Ekstase im Austausch freudiger und trauriger Emotionen zwischen Künstler und Hörer. Der junge Omani Salim Bin Ali Al- Maqrashi eröffnet das Geschehen, souverän, mit wunderbarer motivischer Arbeit und einer Würde als wäre es eine Solopartita Bachs. Schroff und fast blechern klingt nach ihm der Marokkaner Said Chraibi, doch auch er in seiner herben, nervösen Art ansprechend. Dazu kontrastiert wieder der Ägypter Mamdoh El Gabaly mit eleganter, klarer Präzisionsarbeit. Drei Künstler lassen sich auch als Sänger vernehmen: Der Saudi Abadi Al-Johar, bislang als Oudvirtuose kaum bekannt, ist ein überragender Techniker, der mit seinem innigen, warmen Klang berührt. Der feinsinnige Ahmed Fathi aus dem Jemen verkörpert klangfarbenreich, expressiv, lyrisch doch kraftvoll als Sänger, Instrumentalist und Komponist den allumfassenden Musiker alten Stils. Der Syrier Safwan Bahlawan tremoliert und lässt bisweilen Akkorde rollen, die vom Flamenco nicht weit weg sind. Uns wird bei alledem heiß, kalt, meistens warm, wir lächeln selig oder haben Tränen in den Augen, sind bewegt, seufzen, haben eine Gänsehaut – und bekommen eine Ahnung davon, was „al tarab“ bedeutet. Munir Bashir ist zwar bald zehn Jahre tot, doch sein Erbe ist in guten Händen.
Trotz reizvoller Einfälle hinterlassen die sinfonischen Werke für Oud und Orchester von Atiyya Sharara und Ammar El-Sherei, die mit dem Royal Oman Symphony Orchestra aufgeführt wurden, einen vergleichsweise zwiespältigen Eindruck. In einer etwas protzig-trotzigen „Das können wir auch“ - Attitüde zeigen die Komponisten, dass sie Beethoven, Vivaldi und Wagner studiert haben, bringen dazwischen gar Zitate an, als müssten sie sich damit vor dem Westen legitimieren. Dabei haben weder sie noch die arabische Musik dies nötig! Andererseits erfrischen die Werke gerade durch die neuartige Verbindung älterer Tonsprachen. Bezeichnenderweise finden sich die Höhepunkte in den Solokadenzen, wo das Orchester schweigt und der Solist in typisch arabischer Improvisationskunst schwelgt. Der Vorläufer der europäischen Laute erlaubt durch seine Bundlosigkeit im Gegensatz zu unseren Lauten, Gitarren und Mandolinen das Spielen von Tönen, die in westlichen Tonleitern nicht vorkommen, insbesondere die für arabische Musik so wichtigen Dreivierteltöne. Entsprechend groß ist die Fülle an Skalen, während wir uns mit Dur, Moll und gelegentlichen Kirchentonarten recht spartanisch eingerichtet haben. Über 150 Maqamat (Modi) kennt die arabische Musik, doch werden heute in der populären arabischen Musik leider nur wenige verwendet und zwar solche, die dem westlichen Ohr mehr entgegenkommen. Zwei Dutzend aber erklangen auf dem Festival, das somit auch ein Zeichen gegen die Verflachung setzt. Hoffen wir auf eine Fortsetzung.
Marcus A. Woelfle, 13.12.2014, RONDO Ausgabe 4 / 2006
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