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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Lionel Bringuier (c) Paolo Dutto

Café Imperial

Mussorgskis „Chowanschtschina“, das war 1988 eine der Großtaten der Ära von Claudio Abbado an der Wiener Staatsoper. Klar, dass der jetzige Intendant Dominique Meyer das Werk dem Haus irgendwie schuldig zu sein glaubte. Einfach erscheint es nicht, gegen damalige Traumbesetzungen mit Nicolai Ghiaurov, Anatoli Kotscherga, Paata Burchuladze und Marjana Lipovšek anzukommen. In der Neuproduktion zeigt man kaum mehr als ein vokales Alteisen-Lager von beachtlichem Edelrost. Ferruccio Furnaletto (Chowanski) hat sein Russisch verbessert, singt aber trotzdem zu italienisch weich. Christopher Ventris (Andrei) hat bei etlichen „Parsifal“-Schwanenjagden an Stimm-Flaumfedern eingebüßt. Auch Herbert Lippert (Golizyn) singt gegen einige Sängerjahre zuviel an. Andrzej Dobber schließlich ist zwar einer der besten Verdi-Baritone der Gegenwart; kann aber als Schaklowity nicht recht punkten. Und Elena Maximova, russischblond als Marfa, orgelt gegen die Klangmassen aus dem Graben mit Mühe an. So bleibt es Ain Anger (Dossifei) und Norbert Ernst (Schreiber) vorbehalten, den Ruf der Aufführung zu retten. Was unmöglich ist. Lev Dodins Fahrstuhlgewese mit auf- und niedergepumpten Lattenzaun- Hubpodien ist ein regieliches Armutszeugnis. Selten sowas Ödes gesehen! Semyon Bychkov singt die Texte mit, dirigiert das Werk also aus dem Effeff. Disponieren kann er es so wenig, dass jeder einzelne Akt wie der letzte klingt. Wir dachten immer, die „Chowanschtschina“ sei ein Meisterwerk. So dargeboten, scheint es unrettbar.
Im Café Imperial, unserem Lieblings-Kaffeehaus im Hotel Imperial (das spricht man in Wien übrigens französisch aus!), haben sie nachgebessert. Neue Wandbespannung, bessere Beleuchtung. Jetzt kommt das edle, altmodischste Damencafé Wiens (mit einem Hauch von Paula Wessely) dem ehemaligen Zustand wieder etwas näher. Muss belohnt werden! Also nehmen wir wieder in unserem ehemals liebsten Musikerfoyer Platz. Und lassen den Blick schweifen: Bis Ende Februar läuft im Haus Hofmannsthal, dem Kulturzentrum im Wiener Bezirk Landstraße, eine überaus liebenswürdige Ausstellung über den Dirigenten Berislav Klobučar (1924–2014). Der mit über 1100 Vorstellungen meistbeschäftigte Dirigent der Wiener Staatsoper (mehr hat nur Rudolf Moralt dirigiert) war der Lieblingsdirigent von Birgit Nilsson. Zur Eröffnung der Schau pries immerhin Gundula Janowitz persönlich Klobučar als „Meister der Ruhe“. Die Sopranistin (und Felsenstein-Legende) Melitta Muszely meinte tiefsinnig, bei diesem begnadeten Sängerdirigenten habe man eben deswegen keine Fehler gemacht, „weil es nicht nötig war“. Die Fehler wären einem verziehen worden ... Zum Lohn der Nettigkeit durfte Klobučar unter Karajan und später nicht eine einzige Premiere dirigieren. Preisen wir die Kleinmeister! Und das Repertoire.
Bei gleich zwei Wiener Orchestern besinnt man sich auf große, unterschätzte Dirigierlegenden der russischen Schule: beim Tonkünstler- Orchester Niederösterreich auf Dmitri Kitajenko (13./15.2.), bei den Wiener Symphonikern auf Vladimir Fedosejev (21./22.2.). Mariss Jansons kommt noch einmal mit dem Concertgebouw Orkest (18.2.), Harnoncourt dirigiert Händels „Saul“ (14./15.3.). Und Jiri Behlolávek gastiert mit der Tschechischen Philharmonie (19./21./22.3.). Im Wiener Konzerthaus dirigiert Teodor Currentzis, sonst ein Verächter alles Traditionellen, das RSO Wien (20.2.), Lionel Bringuier präsentiert sein Tonhalle- Orchester Zürich (7.3.) und Robin Ticciati sein Scottish Chamber Symphony Orchestra (22./23.3.). Alles Repertoire; aber heißes. Ober, zahlen!

Robert Fraunholzer, 21.02.2015, RONDO Ausgabe 1 / 2015



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