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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Musik der Welt

Mit Liebe gemacht

+ Die Welt der klassischen japanischen Musik auf fünf CDs + Zwei Frauen im männerdominierten Reich der arabischen Sufi-Musik + Bossa nova vor dem Sündenfall: eine aktuelle Luiz-Bonfá-Reissue auf Vinyl +

Selten sind in einer Zeit massenhafter Billigangebote jene Produktionen, die auch optisch und taktil reizen oder die den Wissensdurst mit ausführlichen, klugen Texten stillen. Dabei stellen allein Medien mit einer gewinnenden physischen Präsenz sicher, dass die etablierten Tonträger nicht in der Internet-Ära von der Bildfläche verschwinden. Meist kann man die Liebe und Sorgfalt, die man der Produktion ansieht, auch der Musik anhören.
Das Label „Celestial Harmonies“ hat mit Produktionen wie der monumentalen Box „The Music of Islam“ längst gezeigt, wie man außereuropäische Musikanthologien vorbildlich präsentiert: umfassend, facettenreich, mit detaillierter Information und hübscher Box. So stellt sich auch „The Ongaku Masters. An Anthology of Japanese Classical Music“ (Celestial Harmonies/ Naxos 13241-2) dar. Durch fünf CDs erfahren wir, was man unter „Ongaku” (Die Welt des Klanges), ein Sammelbegriff für Musik mit traditionellen japanischen Instrumenten, alles verstehen kann. Band eins umfasst als Doppel-CD verschiedene Formen geistlicher Musik, einschließlich der altehrwürdigen kaiserlichen Hofmusik Gagaku. Band zwei widmet sich der weltlichen Musik und damit der berühmten Kammermusik für die Flöte Shakuhachi und die Zither Koto. Das moderne Japan lernen wir in Band drei kennen, insofern Komponisten diese Tradition erweitert haben. Band vier bietet unter dem Motto „Cross-overs and Extensions“ Beispiele für das inzwischen im Westen populäre Taiko-Trommeln und Kompositionen von Japanern, die westliche Kompositionstechniken anwenden, oder von Nicht-Japanern, die von japanischer Musik geprägt wurden.
Zwei Frauen, die mit den jeweiligen Stilmitteln ihres Kulturbereichs dem Liebesruf der Sufi- Mystik gefolgt sind, legen berückende Alben vor. Abida Parveen, die große pakistanische Qawwal- Sängerin, trägt in „‘Ishq. L’amour absolu“ (Accords croisés/harmonia mundi AC 109) gotterfüllt die Gedichte von Sufi-Heiligen vor: Vollkehlig, kraftvoll und mit mitreißendem Schwung kündet sie vom Feuer in ihrer Seele, das die Liebe Gottes entfacht hat. Ein neuer Stern am Himmel des Sufi-Gesangs ist die junge Marokkanerin Ihsan Rmiki, eine der wenigen Frauen in der Männerdomäne des Samâa (geistliches Konzert). Auf ihrem ersten Album „Al- Samâa: audition spirituelle extatique“ (Institut du monde arabe/harmonia mundi 321.075) wird die im andalusischen Stil des Maghrebs verankerte Sängerin mit der reinen, klaren Stimme von einem fünfköpfigen Instrumentalensemble begleitet.
Das Label „Speakers Corner Records“ feierte gerade seinen zehnten Geburtstag. Dessen audiophile, originalgetreue LP-Reissues übertreffen in ihrer exzellenten Fertigung mit bestem 180-Gramm-Vinyl wohl manche Originalscheibe – und die entsprechende CD! Spezialisiert hat sich die deutsche Firma auf Klassik und Jazz, doch finden Freunde lateinamerikanischer Musik einige Juwelen in ihrem kleinen, feinen Katalog, zum Beispiel „Luiz Bonfá, Composer of Black Orpheus Plays and Sings Bossa Nova With Lalo Schifrin & Oscar Castro Neves“ (Verve/Speakers Corner VG-8522). Der Titel sagt fast schon alles; es war 1962 eine der ersten außerhalb Brasiliens aufgenommenen Bossa-LPs. Bonfá hatte nicht nur mit seiner Filmmusik den neuen brasilianischen Klängen den Weg geebnet. Saitenspiel und Stimme des vor vier Jahren verstorbenen Musikers erinnern auf diesem (auch auf CD erhältlichen) Klassiker mit unglaublicher Relaxtheit und sympathischem Understatement daran, was der Bossa nova alles sein konnte, bevor er bei uns an allem schuld war.

Marcus A. Woelfle, 21.02.2015, RONDO Ausgabe 5 / 2005



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