Wenn es ab Ende September auf so manchen Steinway-Flügel schneit, selbstredend im übertragenen Sinn, ist nicht zuletzt Bugge Wesseltoft daran schuld. Der Pianist hat 1997 für das Label ACT unter dem Titel „It’s Snowing On My Piano“ ein künstlerisch wie geschäftlich erfolgreiches Soloalbum eingespielt. Weshalb Plattenproduzent Siggi Loch auf die Idee kam, sieben Jahre später bei dem Norweger nachzufragen, ob er nicht ...
Im Prinzip ja, aber er sei noch nicht so weit, lautete die Antwort. Eine ehrenwerte Reaktion, denn die Königsdisziplin des Solospiels ist die denkbar größte Herausforderung für einen Jazzpianisten – viel zu verführerisch, um Nein zu sagen. Siggi Loch kam wenig später mit Joachim Kühn ins Gespräch zum Thema Alleingang an den Tasten. Parallel dazu meldeten weitere Pianisten Solopläne an: der Schweizer George Gruntz und der Amerikaner Kevin Hays.
„Dann soll es wohl so sein, dass eine Reihe daraus wird“, sagte sich Mr. ACT und schritt zur Tat. Sein Serientäter Nummer eins wagte sich auf „Allegro Vivace“ gewohnt Kühn an Bach und Mozart, sodann aber auch an Coltrane und Coleman. Betont europäisch der Ansatz des „Concert Jazz Band”-Leaders George Gruntz, trotz Calypso-Anklängen und einigen amerikanischen Jazz-Standards im Repertoire. Erstaunlich gut funktioniert die „Piano only”-Version seiner Suite „Ringing the Luminator“, die der gesamten CD den Titel gab.
Der als Pianist wohl bemerkenswerteste ACT-Künstler Ramón Valle lässt sich ein weiteres Mal auf Ernesto Lecuona ein. Vom „kubanischen Duke Ellington“ stammt jeder zweite Song auf „Memorias“. Was Valle an eigenen Kompositionen hinzugefügt hat, beweist gleichermaßen sein Konzept, das lyrische Element nicht durch rhythmisches Auftrumpfen in Frage zu stellen.
Am eigenwilligsten ist das sehr persönliche Statement des Amerikaners Kevin Hays ausgefallen: Geisterhafte Gesänge, Geräusche und Fender- Rhodes-Sounds oder gar Streicher-Samples mischen sich unter die Klavierklänge auf „Open Range“. Ein Titel, der nicht nur auf stilistische Offenheit anspielt, sondern auch auf die Weite einer Landschaft, die Kevins Musik prägt, seit er von New York nach New Mexico umgezogen ist.
Nach Verkaufshits im ACT-Katalog à la Nils Landgren oder E.S.T. hört sich all das nicht an, eher nach der Überzeugungstat eines Produzenten, die sein ENJA-Kollege Matthias Winckelmann folgendermaßen kommentierte: „Du bist aber mutig!“ Aber wenn die Zeit reif ist, muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss, und so plant Siggi Loch bereits weitere „Piano Works“ von Künstlern, die zunächst auf dem programmatischen Soloklavier-Sampler „Romantic Freedom“ mit vertreten sind: Michael Wollny, Eric Watson und Esbjörn Svensson.
Apropos Piano: Bevorzugt zum Einsatz kommen soll bei den „Works“ in Zukunft jene rare Variante (insgesamt nur zwölf Exemplare!) eines Steinway-Flügels, die in den Bauer Studios in Ludwigsburg steht: Ob Ramón Valle oder Kevin Hays, Richie Beirach oder Simon Nabotov – alle sind des Lobes voll über dieses wie für Solo-Exkursionen geschaffene Instrument, auf das der Schnee reichlich fallen möge in den kommenden Jahren.
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