Gute Zeiten für Raritätenjäger. Von Giovanni Maria Casini werden die meisten noch nicht einmal den Namen, geschweige denn irgendein Werk gehört haben. Auf CD findet man lediglich einige Orgelstücke des 1652 geborenen Florentiners, der sich nicht nur als Komponist und Literat hervortat, sondern mit Anfang 20 auch zum Priester weihen ließ. „Il viaggio di Tobia“ ist das erste seiner vier Oratorien (alle in den 1690er Jahren auf eigene Libretti entstanden), von denen allerdings nur zwei erhalten sind. Bei Diego Fasolis und seinen Barocchisti ist das Werk in zuverlässigen und erfahrenen Händen, zudem bieten die fünf Gesangssolisten Laura Antonaz, Claudine Ansermet, Mya Fracassini, Jeremy Ovenden und Sergio Foresti eine souveräne Leistung, was bei den beachtlichen Anforderungen ihrer Parts nicht selbstverständlich ist.
Schon in der letzten Ausgabe gab es eine lohnenswerte Caldara-Ersteinspielung zu vermelden, der sich jetzt mit „Morte e sepoltura di Christo“ eine weitere hinzugesellt. Das Werk entstand 1724 für den Wiener Hof, an dem in der Fastenzeit traditionell Kreuzigungs-Oratorien – und zwar bis zu sechs verschiedene! – erklangen. Fabio Biondi nimmt sich dieser Trouvaille mit der ihm eigenen Hingabe an, warum er meinte, jedem der beiden Teile noch eine Motette voranstellen und Instrumentalstücke einfügen zu müssen, bleibt sein Geheimnis. Auf Vokalseite gibt es zwei Soprane (Maria Grazia Schiavo & Silvia Frigato) mit nicht sonderlich attraktiven Stimmen zu vermelden, die sich aber immerhin als sichere und ausdrucksintensive Stilistinnen erweisen. Dazu gesellen sich Martina Bellis interessanter, etwas gaumiger Alt, der leicht ansprechende lyrische Tenor von Anicio Zorzi Giustiniani und Ugo Guagliardos resonanzreicher, beweglicher Bass.
Auf bekannteren Pfaden wandelt Laurence Cummings, der nach seinem ebenfalls als Mitschnitt erhältlichem „Joshua“ vom London Handel Festival 2008 das Oratorium im vergangenen Jahr auch in Göttingen aufführte und nun mit zwei CD-Versionen auf dem Markt vertreten ist. Den Vorzug kann man ohne Zögern dieser neueren Veröffentlichung geben, allein schon wegen Kenneth Tarver in der Titelrolle. Doch auch Anna Dennis, Renata Pokupić (mit leichten Abstrichen) und Tobias Berndt sowie der hervorragende NDR Chor, dem ein Großteil der knapp zwei Stunden Musik zufällt, überzeugen auf ganzer Linie.
4 × Händel und 4 t Vivaldi mit einem Schuss Porpora und Pergolesi – so heißen die Zutaten von „Tempesta“, dem neuen Recital von Blandine Staskiewicz. Auch wenn es der Titel suggeriert, wird hier natürlich nicht nur getobt und gewütet, der Sturm legt sich dazwischen auch wieder, um dann von neuem aufzubrausen. Das gut zusammengestellte Programm profitiert nicht zuletzt von der Beteiligung des Ensembles „Les Ambassadeurs“ unter Alexis Kossenko, das wirklich weiß, was Klangrede bedeutet und der Französin ein inspirierender Partner ist. Die tieferen Lagen ihres Mezzosoprans sind noch ausbaufähig, ansonsten bringt sie stimmlich alles mit, was man sich für ein solches Programm wünscht. Mit der Exuberanz und ultimativen Furchtlosigkeit einer Simone Kermes kann sie es zwar nicht aufnehmen, doch liefert Blandine Staskiewicz mit „Tempesta“ zweifellos eine beeindruckende Visitenkarte ab.
Michael Blümke, 04.04.2015, RONDO Ausgabe 2 / 2015
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