Es sah erst ganz so aus, als ob 1998 Badi Assads Jahr werden sollte. Die elfenhafte Brasilianerin war gerade in die USA gezogen und hatte mit „Chameleon“ ein Album veröffentlicht, das ihr unter Kritikern eine stattliche Zahl an Verehrern einbrachte und ihre Fangemeinde deutlich wachsen ließ. Doch als es sich mit ihrer Karriere gerade so richtig schön anließ, merkte die virtuose Gitarristin, dass mit ihrer Griffhand etwas nicht stimmte. Ein Arztbesuch brachte Badi Assad die erschütternde Diagnose: Sie litt unter einem unheilbaren seltenen Nervenleiden. So mirakulös es erscheinen mag, heute sind die Symptome, die sie von den Saiten fern hielten, verschwunden. „Als die Gitarre nicht mehr da war, musste ich die Musik nicht mehr auf dem Griffbrett suchen, sondern in mir selbst finden“, erinnert sich Badi Assad mit einem tiefen Seufzen an die Zeiten der Entbehrung. „Als ich mein Instrument nicht mehr in die Hand nehmen konnte, kam es mir vor, als hätte man es amputiert. Ich fragte mich: wer bin ich jetzt eigentlich ohne meine Gitarre. So komisch es klingt, aber ich hatte plötzlich die Gelegenheit, mich neu kennen zu lernen. Ich tauchte in mir bislang unbekannte Nischen meiner Seele. Ich habe mich in der Zeit des Nachdenkens neu erfunden. Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich wieder eine Gitarre in die Hände nehmen konnte. Danach hat sich meine Beziehung zum Instrument und zur Musik ganz allgemein gründlich geändert. Ich habe jetzt eine viel freiere, offenere Herangehensweise entwickelt.“ Sie lässt sich mit einem entrückten Lächeln in den Sessel zurückfallen. „Früher habe ich immer gedacht: Wenn etwas musikalisch nicht schön kompliziert ist, will ich nichts damit zu tun haben. Ich hatte wirklich Schwierigkeiten damit, ein paar simple Akkordfolgen zu spielen. Jetzt brauche ich das Komplexe nicht mehr, um mich wohl zu fühlen. Ich habe ein sehr starkes Gefühl für das Einfache in der Musik entdeckt. Und das Einfache ist weiß Gott nicht immer sehr leicht.”
Dennoch hat die 39-Jährige in der Phase ihrer Rückkehr in die Musik-Szene erst einmal die ganz große Herausforderung angenommen und mit zwei Gitarren-Heroen des Jazz ein Trio-Album aufgenommen: Larry Coryell und John Abercrombie. Auf ihrem eigenen, neuen Album „Verde“ aber beherzigt sie das selbst auferlegte Motto der neuen Schlichtheit. Auf dem von archaischen Instrumenten durchsetzen Werk, von dem sie sagt, es sei ihr „bislang brasilianischstes“, fühlt sie sich wirklich der Schönheit des Einfachen verpflichtet und intoniert mit charmanter Stimme Songs, die mal ganz verwunschen, mal herzerweichend sentimental, mal ansteckend fröhlich tönen. Stilistisch bedient sie sich aus dem reichen Reservoir brasilianischer Musik, aber auch bei Jazz, Klassik und Pop. Natürlich reflektieren die zum Teil selbst komponierten Stücke auch die schwere Zeit, die Badi Assad durchleben musste. „Verde“ („grün“) heißt das Album nicht umsonst.
„Ich habe ein Lexikon aufgeschlagen und gestaunt, was grün alles bedeuten kann, wo es überall drin steckt, wofür es symbolisch stehen kann. Was immer ich auch las, löste Assoziationen aus. Der Wald ist grün, der geheimnisvolle Dschungel, die Photosynthese, Brasilien ist grün, die Hoffnung ist es auch und ...“ – da macht sie eine Kunstpause, hebt den Zeigefinger, setzt ein keckes Grinsen auf – „sogar Dollarscheine sind grün. Im Prinzip fühle ich mich nach meiner unfreiwilligen Zäsur auch wie ein Grünschnabel. Auf eine Art fühle ich mich zwar ausgesprochen reif mit dem was ich tue; auf der anderen Seite versuche ich immer, frisch von vorne anzufangen, neue Wege und Richtungen einzuschlagen.“
Ssirus W. Pakzad
edge/Universal
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