„Wenn ich mir die Zähne putze, muss ich nicht zum Zahnarzt.“ Sagt das Kind in der Zahnpasta-Werbung. „Wenn ich Beethoven höre, werde ich tapferer.“ Behauptet ein Nazi-Blatt im Juli 1942. Andere Zeiten, andere Werbeslogans. Der Missbrauch des „Fidelio“ im „Dritten Reich“, in dem die Freiheitsoper absurderweise als Symbol für die „Befreiung des Volkes durch den Nationalsozialismus“ verkauft wurde, ist ein Kapitel für sich. Folglich widmet Arthaus ihm ein solches. Und zwar in der neuen „Sehbuch”-Reihe, die neben dem „Fidelio“ derzeit sieben weitere Titel umfasst.
„Sehbuch“, das klingt nach einer neuen Marketing-Masche, nach einer Zweitverwertung von auf DVD längst veröffentlichten Aufführungen. Zugegeben, es ist eine Zweitverwertung, die meisten Vorstellungen – etwa die „Bohème“ aus San Francisco mit Freni und Pavarotti, die „Carmen“ aus London mit Ewing und Lima, den „Tannhäuser“ aus München mit Meier und Kollo – gab es sogar schon in ferner Video-Vorzeit. Auch echte Perlen sind darunter wie der „Don Giovanni“ unter Harnoncourt aus Zürich mit der Bartoli oder die Wilson-Inszenierung von Glucks „Orphée et Eurydice“ unter Gardiner mit Magdalena Kožená.
Doch, diese Reihe ist eine echte Überraschung, und eine angenehme noch dazu. Das 125-seitige Buch, unter dessen Deckel sich die DVD verbirgt, liefert prägnante, gut geschriebene und interessante Texte zur Stoff-, Entstehungs- und Inszenierungsgeschichte, umreißt dabei die Biografien von Komponist und Librettist oder bietet musikalische Kommentare. Als Einstieg für angehende Opernfans ist die Reihe wirklich empfehlenswert.
Arthaus/Naxos
Jochen Breiholz, 25.04.2015, RONDO Ausgabe 1 / 2005
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