Startseite · Interview · Blind gehört
(c) Marco Borggreve
Julian Prégardien, geboren 1984 in Frankfurt am Main als Sohn des berühmten Lieder-Tenors Christoph Prégardien, begann bei den Limburger Domsingknaben. 2009 wurde er Ensemblemitglied an der Oper Frankfurt und sorgte dort als lyrischer Tenor in der „Zauberflöte“, in diversen Rollen in „Hoffmanns Erzählungen“ und als Seemann im „Tristan“ für einiges Aufsehen. In René Jacobs’ Neuaufnahme der „Entführung aus dem Serail“ singt er den Pedrillo. Seinem ersten Solo-Recital bei Myrios Classics folgten im letzten Herbst Schubert-Lieder – in der klanglich reizvollen Begleitung mit Flöte, Gitarre und Baryton. Julian Prégardien, wie sich rasch zeigt, ist in der Analyse und Beschreibung von Stimmen unschlagbar. Von den Sängern selbst errät er hauptsächlich einen: den Vater.
Das klingt nach Nikolaus Harnoncourt! Deutlich gesetzte Akzente; eine alte Aufnahme. Bei dem Sänger handelt es sich nicht um Fritz Wunderlich. Man merkt die Klangkultur der 60er Jahre. „Zu Hülfe!“ Und: „Röttet mich!“ Sehr deutliche Artikulation, präziser Stimmsitz, man versteht jedes Wort. Die Stimme ist auch nicht abgedunkelt oder abgetönt. So ein Sänger ist unbedingt als Vorbild zu betrachten, meine ich. Es hat fast etwas von „Dreigroschenoper“, mit Theaterdeutsch! Wer das ist, weiß ich trotzdem nicht. Anton Dermota? Unter Karajan?! Das hätte ich nie gedacht. Das klingt ja ungemein rhetorisch. Unglaublich! Da habe ich etwas gelernt.
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Das ist der Beginn von Haydns „Schöpfung“. Keine Pause nach der Fermate. Sogenannter „Originalklang“. Der Dirigent, wie ich höre, bekennt sich zur Unsauberkeit bei den Naturhörnern. Es ist nicht Philippe Herreweghe, würde ich schätzen. Auch niemand von den britischen Inseln. Ich finde, es strahlt etwas Weiches, Liebevolles aus, trotz herber Akzente. Lang gehaltene Bläserakkorde. Wenn das die Aufnahme von René Jacobs wäre, würde es mich wundern. Dafür ist sie nicht frei genug. Ich kenne Jacobs seit 2007, für ihn ist es typisch, dass er sich Blasen oder Inseln in der Musik sucht, wo er das Metrum ausschalten kann, um die solistischen Stimmen einzusetzen. Das ist trotzdem René Jacobs?! Man lernt doch nie aus. Ich weiß, dass er ein gewisses Problem mit Haydn hat und dass er sich ihm ungern in rigoroser Werktreue unterwirft, sondern eher mit kritischen Augen. Ich habe schon wieder etwas gelernt.
Wenn ich das nicht sofort erkennen würde, müsste ich mich umtaufen lassen und auswandern. Also: mein Vater. Die Frage ist nur, wer ihn begleitet. Das könnte aus der Schubert- Gesamtaufnahme bei der Firma „Hyperion“ stammen, zumal es sich um ein sehr unbekanntes Lied handelt. Graham Johnson, der Initiator und Begleiter, ist kein Freund unnötiger Freiheiten und spricht gern von großen Vorgängern wie Elisabeth Schwarzkopf. Das wäre mein erster Treffer, oder?
Eine frühe Aufnahme von „Hoffmanns Erzählungen“, reichlich rauschig. Die Tenor-Stimme klingt ausgesprochen hell. Die A’s sind schon fast Ä’s. Das ist weder Alfredo Kraus noch Nicolai Gedda. Eine leichtere Tenor-Stimme. Sehr gutes Französisch, offenbar ein Muttersprachler. Wunderbar! Das ist eine Rolle, die mich auch reizen würde, zumal ich der Auffassung bin, dass sie nicht zu schwer besetzt sein sollte. Man muss immer die Sprachstruktur nachvollziehen. Ich habe ja sehr viel französische Barockmusik gesungen, und da merkt man, wie sprachlich – also entlang des Textes – das komponiert ist. Raoul Jobin?! Gewiss, das ist ein Spezialist, den ich wohl kaum erkannt hätte. Fantastisch gesungen!
Bachs Johannes-Passion, zur Abwechslung einmal mit langsamerem Tempo, was mir gut gefällt. Die motivischen Ebenen kommen gut zur Geltung. Es sind Originalinstrumente, deren Verwendung man nicht vorschnell mit schnellem Tempo in Verbindung bringen darf. Wer jemals Frans Brüggen mit Mozarts „Entführung“ gehört hat, weiß ein Lied davon zu singen. Oh!, hier müsste der Chor doch ein bisschen mehr im Vordergrund sein. Man hört das „r“ in „Herr“ ja gar nicht! Es wird wohl ein Chor aus den Benelux-Staaten sein, das erkennt man auch daran. Die eher hellen Bass-Stimmen klingen weniger viril. Es könnte die alte Aufnahme des Collegium Vocale sein. Ich kenne außerdem die von Sigiswald Kuijken und von Gustav Leonhardt recht gut. Ton Koopman? Aha. Er ist sehr streng – und manchmal ein bisschen trocken. Das unterscheidet ihn von Herreweghe, der stärker in den Dialog mit einzelnen Sängern einsteigt und Anteilnahme sowie Involviertheit einfordert. Die hier klingt etwas distanzierter.
Tief klingendes Klavier, ein bisschen dumpfig. Remastered, aber alt. Ich kenne Kollegen, die haben eine ganze Bibliothek von „Schönen Müllerinnen“ zuhause. Ich besitze nur drei Aufnahmen, die beiden von meinem Vater und die neue von Markus Schäfer. Diese hier ist nicht darunter. Ich bin mehr ein akribischer Leser als ein häufiger Hörer, das rächt sich jetzt. Die Noten der „Müllerin“ habe ich in fünf verschiedenen Editionen, inklusive der von Anton Diabelli mit Verzierungen von Johann Michael Vogl. Hier: Bühnendeutsch! Und zwar solches der 40er oder 50er Jahre: „Das sehn wir auch den Rrrrrädern ab“. Das ist ein Sänger, der Erfahrungen mit Operetten haben dürfte. Nicht zu opernhaft jedenfalls, eine eher betrachtende Art zu singen. Die Vokale spitz. Julius Patzak? Ich dachte es mir, aber hier hat er mehr baritonale Resonanz als ich vermutet hätte.
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Der Seemann im „Tristan“, das ist eine Rolle, die ich gern gesungen habe. Man ist der erste Sänger, den das Publikum zu hören bekommt. Bei diesem Tenor hier merkt man: Der ist nicht beim Seemann stehengeblieben. Hätte auch Siegmund singen können. Oh, das klingt eng. Und zugleich größer als es sein müsste. Dennoch schön, dass eine solche Rolle – manchmal auch heute noch – mit einem solch potenten Sänger wie hier besetzt wird. Rudolf Schock?! Wahnsinn!
Pedrillo in Mozarts „Entführung“, und zwar bei sehr raschem Tempo. Mit einer typischen, leichteren und höheren Buffo-Stimme. Ich habe die Rolle im letzten Jahr erstmals gesungen, nachdem ich Anfragen drei Mal abgesagt hatte. Sehr facettenreich gesungen ist das! Souveräne Spitzentöne. Da hört man gerne zu, zumal das sehr ehrlich und nicht eitel gesungen wird. Das ist jemand, der es so interpretiert, als ob er sich selbst Mut zusingt. „Frrrisch zum Strrrreite“, und das in diesem Tempo! Man erlebt manchmal, dass sich das Tempo, was man für das richtige hält, als zu schnell erweist. Dann sagt Bernhard Forck von der Akademie für Alte Musik Berlin ganz einfach: „Richtig wohl fühlen wir uns nicht damit.“ Schon ist’s vom Tisch. Helmut Krebs? Wie toll gesungen! – und nicht einmal ein ganz großer, berühmter Name. Großartig!
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