home

N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Startseite · Oper & Konzert · Da Capo

(c) Monika Rittershaus

Lolita schlägt zurück: Richard Strauss´ „Elektra“

Berlin, Staatsoper

Als „besten Opernregisseur der Welt“ titulierte Intendant Jürgen Flimm den verstorbenen Patrice Chéreau in einer kleinen, gerührten Ansprache. Gespickt mit Weggefährten und alten Granden, hat „Elektra“, die letzte Arbeit des 2013 verstorbenen Chéreau, tatsächlich etwas von einem Testament an sich – und konnte als solches bei der Premiere in Aix-en-Provence (kurz vor dem Tode Chéreaus) noch kaum wahrgenommen werden. Dass der Regisseur sogar den Wotan seines „Jahrhundert- Ring“ (Bayreuth 1976), den heute über 80-jährigen Donald McIntyre als „Alten Diener“ reaktiviert hatte: kein Zufall wohl. Beim Ruf „Orest lebt“ fallen er und der 92-jährige Franz Mazura als Pfleger des Orest einander wie erlöst in die Arme. (In Chéreaus legendärer Pariser „Lulu“ sang Mazura den Dr. Schön.) Gleichfalls mit dabei: die legendäre Cheryl Studer, die nachher bewundernd erzählte, bei dieser Arbeit sei es fast nur um „Subtext“ gegangen – um die subtile Ausdeutung versteckter Botschaften.
An derlei metaphysischen Dimensionen gemessen, nimmt sich der schieferfarbene Innenhof, in dem die Mägde herrschen, geradezu einfach aus. Evelyn Herlitzius in der Titelrolle – eine Kampf-Lolita im löchrigen Sport-Schlabber – singt Töne wie Schwertstreiche. Waltraud Meier darf, wie sie es immer wollte, schlank und schön den introvertierten, zerknirschten Seiten der Klytaimnestra nachspüren. Adrianne Pieczonka – bei gespitztem Timbre – ist eine fast ideale Chrysothemis. Alle drei gestalten den Abend als Liebesvermächtnis für einen Lebensregisseur. So weht einem ein kalter, erschütternder Wind scharf entgegen. Wunderbar.
Die Produktion war ursprünglich in Berlin geprobt worden (ohne hier je gezeigt worden zu sein). Daniel Barenboim, das Werk neu durcharbeitend, betont eine enorme Nervosität und Zerschossenheit von Strauss’ Partitur. Wie in einem zersplitterten Spiegel zeigen sich benachbarte Werke wie „Der Rosenkavalier“, „Ariadne“ und „Salome“. All das hat grandiose, einschüchternd jenseitige Dimensionen. Und ist doch ganz schlicht.

Robert Fraunholzer, 10.12.2016, RONDO Ausgabe 6 / 2016



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Blind gehört

„Na, der kann was erleben!“

Das Wienerische – ich habe dort lange genug gelebt – sitzt in der Nase. Die Sprache auch. […]
zum Artikel

Blind gehört

Seong-Jin Cho: „Lang Lang?! Oh, tut mir leid …“

Meine Aufnahme? Nein, doch nicht. Oder etwa doch!? Mehr als vier Jahre wäre das dann jetzt her. […]
zum Artikel

Musikstadt

Begeistert Klassikfans – nicht nur mit Bach

„In ihrer Einrichtung und ganzem Wesen herrscht neben allem Luxus und Reichthum eine so reizende […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Der Komponist Giacomo Orefice (1865–1922) wuchs in einer jüdischen Familie im norditalienischen Vicenza auf und ist vor allem für sein Opernschaffen bekannt. Auch als Pädagoge macht er sich einen Namen, sein berühmtester Schüler war der Filmkomponist Nino Rota. Orefices bekanntestes Musiktheaterwerk ist „Chopin“, für das er die Klavierwerke des polnischen Komponisten orchestrierte. Seine eigene Klaviermusik umfasst überwiegend romantische Charakterstücke, die von Gedichten, […] mehr


Abo

Top