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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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(c) Simon Fowler/Decca

Aida Garifullina

Koloraturfunkenschlag

Superschlank, superschön, superstimmig schon auf dem ersten Album: Diese Sängerin aus Tatarstan ist keine Sopraneintagsfliege.

Aida. Garifullina. So heißt doch keine. Höchstens ein Dessert. Oder die Karikatur einer Opernsängerin, Typ Bianca Castafiore aus den „Tim und Struppi“-Comics. Super-Ego, wohlmöglich auch super-pfundige Figur. Totale Allüre, ein Witz, ein Zerrbild.
Aida Garifullina. Doch so heißt wirklich eine Opernsängerin. Superschlank, superschön, superstimmig. Ein Vokalmodel, feuchter Traum jedes Plattenproduzenten. Die zarteste Sopranistin seit es Stimmschmelz gibt. Vergesst Netrebko, die inzwischen unrettbar auf die Babuschkaseite gewechselt ist! Anna war gestern, heute ist Aida. Vor ihr nimmt jede Magenverkleinerungsschnur sofort Reißaus. Schwarzhaarig, Kirschmund, dunkle, leicht mandelförmige Augen, puppenhaft zarte Figur. Aber kein Töne spuckender Automat, genauso wenig ein Schmusekätzchen. Die hat Temperament, weiß zu locken und zu verführen, kuschelt und teilt aus. Und kratzen kann sie auch. Wenn es nicht nach ihrem Willen geht.
Aida also. Kein Künstlername, die Mutter wusste natürlich schon nach der Geburt, diese Tochter muss Opernsängerin werden. Das war am 30. September 1987 in Kasan, damals noch Sowjetrepublik Tatarstan, heute unabhängig. Die Frau Mama ist Chordirigentin, da kam die Musik schon durch die Muttermilch. Und mag in der EX-UdSSR vieles im Argen liegen, das Klassik-Exzellenzsystem funktioniert bis heute. Mit fünf Jahren nahm das damals schon aparte Mädchen in Moskau an einem im Fernsehen übertragenen Wettbewerb teil. Mit 11 begann sie am Konservatorium ihrer Heimatstadt mit dem Gesangsunterricht, mit 13 gewann sie den nächsten Contest.
Mit 16 Jahren kam Aida Garifullina dann zum ersten Mal in ihre Schicksalsstadt, nach Wien, um an der Meisterklasse von Siegfried Jerusalem teilzunehmen. Nach ihrem Abschluss folgte sie ihm 2005 nach Nürnberg, wo der Ex-Wagner-Recke die Hochschule leitet. Zwei Jahre später wechselte sie nach Wien zu Claudia Visca. Aida war immer eine ganz Schnelle, denn das Gesamtpaket stimmte einfach: 2011 machte sie ihren Abschluss, ein Jahr später sang sie erstmals in der Arena di Verona. Natürlich hatte auch Russland Wind bekommen von dem Rohdiamanten, der da im Ausland brillantgeschliffen wurde. Im Januar 2013 debütierte sie auf Einladung von Valery Gergiev am St. Petersburger Mariinski Theater als Susanna in „Le nozze di Figaro“ und brachte nicht nur in ihrer Arie die Rosen zum erblühen. Im August 2013 dann belegte Garifullina den ersten Platz bei Plácido Domingos renommiertem und dementsprechend vielbeachtetem Operalia-Gesangswettbewerb.

Funkelglanz mit russischem Rauch

Seit der Spielzeit 2014/15 war sie zwei Jahre lang Ensemblemitglied an der Wiener Staatsoper, inzwischen hat sie einen Residenzvertrag, um mehr gastieren zu können. Aber noch immer ist das Haus am Ring Heimat und Stammsitz. Dort, wo sie unter anderem die kokette Musetta in „La bohème“ mit hinreißender Verve gab und als Zerlina keineswegs landunschuldig ihrem Don Giovanni duettierend die Hand reichte. Sie trillerte sich mit hellem Funkelglanz, freilich über einem typisch russischen, noch ganz flaumigen, rauchig-dunklen Stimmgrund schwebend, als schmuckliebende Eudoxie in „La juive“ und hat mit der Adina in „L’elisir d’amore“ noch eine zweite Luxusbäuerinnenpartie im Repertoire. 2015 erfreute Aida Garifullina auch das Fernsehpublikum als ansehnliches Sopranspecial bei den Übertragungen des Wiener sowie des Dresdner Opernballes.
Ihre Rollenheimat sind gegenwärtig die soubrettigen, zierlichen Sopranpartien, die launischen „Mädis vom Chantant“ – Nanetta, Norina, Despina, auch der freche Pagen-Oscar in Verdis „Maskenball“. Kein Wunder, dass man sie als koloraturfunkensprühende Lily Pons für einen Sekundenauftritt in Meryl Streeps Biopic über Florence Foster Jenkins wählte. Doch Aida Garifullina hat sich inzwischen auch die lyrischelegische Seite erobert, singt Gilda wie Pamina. Eben gab sie in Wien ihr Debüt als Gounods Juliette, die am Ende der Oper nochmal ziemlich Soprangas geben muss.
Auch das russische Fach hat sie erkundet, obwohl für ihren Stimmtyp da nicht so viel zu holen ist. Doch die porzellanwangige Natascha in Sergei Prokofjews „Krieg und Frieden“ und die huldvolle, aber auch grausam höhenglitzernde Königin von Schemacha in Nikolai Rimski-Korsakows „Der goldene Hahn“ hat sie schon gesungen. Und dann, ebenfalls in Wien, als wäre es das Leichteste überhaupt, die Irina in Peter Eötvös’ spannender Tschechow-Vertonung „Tri Sestri“.
Klar, dass da die Industrie nicht unaufmerksam blieb, seit 2015 steht Aida bei einem großen Label unter Vertrag. Doch die Veröffentlichung des ersten Albums, bereits zu Teilen 2015 aufgenommen, ließ auf sich warten. Von einem berühmten Tenor für ein Duett war da erst die Rede (inzwischen nicht mehr davon zu hören), dann wurde die Sopranistin von dem 11 Jahre älteren russischen Tennisprofi und Herzensbrecher Marat Safin schwanger. Das Warten hat sich aber gelohnt: Die Tendenzen stehen gut, dass Aida Garifullina nicht nur eine Sopraneintagsfliege bleiben wird. Auf diese CD werden sicher noch mehr folgen, zumal sich die Sängerin hier klug und spezifisch beschränkt hat. Die Garifullina-Zaubereien sind noch längst nicht alle enthüllt.

Neu erschienen:

Peter Iljitsch Tschaikowski, Nikolai Rimski-Korsakow u.a.

Aida Garifullina

Aida Garifullina, ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Cornelius Meister

Decca/Universal

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Über die ersten beiden Tracks – wie auch die gesamte CD von Cornelius Meister mit dem ORF-Radio- Symphonieorchester Wien so ansprechend wie günstig begleitet –, kann man getrost weghören. Sie sind Füllsel, hinreißend ist, was kommt. Eine russische Sopranistin darf russisches Repertoire singen! Wundervoll! Je zarter, inniger, kunstloser das tönt (Unser Anspieltipp: das sanfte Wiegenlied von Tschaikowskis „Mazeppa“-Maria), desto traumschöner wird es. Leicht flirrend, slawisch glitzernd. Die große Fioriturengeste beherrscht Aida Garifullina ebenfalls. Ob schimmernde Rimski- Korsakow-Arien oder zart gedehnte Rachmaninow- Lieder, sogar Kunstfolklore, von Balalaika umzirpt – das ist zum Verlieben.

Matthias Siehler, 18.02.2017, RONDO Ausgabe 1 / 2017



Kommentare

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gemihaus
Lieber Matthias Siehler, ist dieser Artikel Ihr Ernst? Ich habe selten etwas so Frauenverachtendes im Klassik-Bereich gelesen. Ich hoffe für Sie, dass Ihnen beim Schreiben immerhin einer abgegangen ist. Das ist ja anscheinend das Niveau, welches mit diesem Artikel angestrebt wird.

Rainer Willamowski
Zuerst dachte ich dieser Artikel sei ein zynischer Kommentar über die Oberflächlichkeit des Klassikbetriebs, jedoch singt Aida Garifullina so gut, dass es in diesem Fall nicht mehr sein kann als eine absolute Beleidigung ihres Könnens, wenn man sie so auf ihr Erscheinen reduziert. Hier kommt Sexismus zum Vorschein, der der Tiefe des Niveaus von Donald Trump kaum nachsteht. Sicher meinte der Autor das überhaupt nicht böse, wollte vielleicht sogar mit diesem Artikel ein Kompliment machen. Ich hoffe jedoch inständig dass er in Zukunft seine Formulierungen besser auswählt, auch wenn dann eventuell seine Hipster-Wortwitze darunter leiden.


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