Ich liebe die ‚Vier Jahreszeiten‘ “, bekannte Hauptkommissar Reuter. Dr. Stradivari nickte gnädig. Alle kannten diese vier Konzerte von Antonio Vivaldi. Dabei gab es hunderte anderer, die zu Unrecht in deren Schatten standen. „Haben Sie mich kommen lassen, um mir das zu sagen?“, meinte er. „Nein, aber es geht in unserem aktuellen Fall um Vivaldi. Wussten Sie eigentlich, dass er Geistlicher war?“
„Sicher. Wegen seines roten Haares nannte man ihn den ‚roten Priester‘. Er nahm es nicht so genau mit dem Kirchendienst, und wahrscheinlich hatte er sogar eine Geliebte. Eine gewisse Anna Girò, für die er Sopranpartien in seinen Opern schrieb.“ „Das Wort ‚wahrscheinlich‘ können Sie streichen. Nebenan sitzt ein gewisser Jens Brenner. Seines Zeichens Antiquar und Handschriftenhändler. Der weiß es genau.“
Sie gingen hinüber. Brenner berichtete von einem Diebstahl. „Ich wurde überfallen, als ich mein Haus betreten wollte. Die Diebe haben auf mich gewartet. Ich kam gerade aus Italien.“ „Was wurde denn gestohlen?“, fragte Stradivari. Brenner seufzte. „In einem Kloster in Rom sind zwischen den Seiten einer alten Bibel Blätter eines Briefes aus dem Jahre 1742 aufgetaucht. Sie sind mit ‚Anna Girò‘ unterschrieben. Sie war Vivaldis bevorzugte Sängerin. Sie hat wohl an eine Freundin geschrieben, die in dem Kloster lebte. Eine echte Sensation. Ich hatte den Brief dabei, als ich zu Hause ankam. Zwei maskierte Männer stürzten aus dem Gebüsch, nahmen mir die Tasche weg und flüchteten auf einem Motorrad. Das Kennzeichen habe ich mir nicht gemerkt.“ „Worum ging es in den Briefen?“, fragte der Doktor. „Um Vivaldi. Anna Girò schrieb darin ihre Erinnerungen nieder. Wie sehr sich die beiden liebten. Aber auch wie er musikalisch gearbeitet hat. Wie er komponierte und probte. Der Text entstand ein Jahr nach Vivaldis Tod. Sie haben kurz zuvor noch eine Reise nach Wien unternommen.“ „Das ist richtig“, sagte Stradivari. „Vivaldi versuchte dort Fuß zu fassen, aber es gelang nicht.“
Brenner nickte. „Das schreibt sie auch. Aber eben noch mehr. Zum Beispiel über seine Treffen mit anderen Komponisten. Der deutsche Barockmeister Pisendel, der später nach Dresden ging, war ja sein Schüler und Freund. Und sie schreibt über Vivaldis Tod. Ihre Verzweiflung über den Verlust. Und wie ihr am Ende nur noch blieb, täglich zur Friedhofsinsel San Michele hinauszufahren, um ihm wenigstens am Grab nahe zu sein.“ Brenner wirkte ganz gerührt von seinen eigenen Worten.
Der Hauptkommissar bat Dr. Stradivari nach draußen. „Eigentlich hatte ich gehofft, dass Sie mir helfen. Zum Beispiel mit der Information, wer an einem solchen Dokument Interesse haben könnte.“ Stradivari lächelte verschwörerisch. „Interesse? Niemand. Der Mann schwindelt uns was vor. Schauen Sie mal nach, wo er versichert ist. Wahrscheinlich will er nur die Versicherung betrügen.“ „Aber wie … ?“ „Aus genau zwei Gründen“, sagte der Doktor.
Welche beiden Gründe lassen Stradivari an Brenners Geschichte zweifeln?
Wenn Sie die Lösung wissen, schreiben Sie sie an stradivari@rondomagazin.de oder postalisch an RONDO, Kurfürstendamm 211, 10719 Berlin – bitte auch Ihre Kontaktdaten nicht vergessen! Unter allen Zuschriften verlost RONDO in Kooperation mit dem Label harmonia mundi fünf Alben der Violin-Doppelkonzerte von Antonio Vivaldi, interpretiert von Amandine Beyer und Giuliano Carmignola. Einsendeschluss ist der 3. März 2017. Viel Glück!
Magnus von Gier kann sich schon mal Bordüren für seine Schwedischen Gardinen häkeln, er wandert hinter Gitter. Verraten hat ihn nicht seine Liebe zu Carl Philipp Emanuel Bach, sondern mangelnde Ortskenntnis. An das angeblich besuchte Geburtshaus des späteren Hamburger Musikdirektors am Weimarer Markt erinnert heute nur noch die Plakette, die Reuter auch im Internet abgebildet fand. Wahrscheinlich hat von Gier an diesem Tage also weit weniger empfindsames im Sinn gehabt als Sonaten von Bach.
Oliver Buslau, 04.02.2017, RONDO Ausgabe 1 / 2017
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